1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung ermöglicht es dem Gläubiger, im Rahmen der Vollstreckung seiner titulierten Ansprüche in bestimmten Fällen den Widerstand des Schuldners zu überwinden (MünchKomm/ZPO-Gruber, § 892 Rn. 1). Eine Selbsthilfe ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 229 BGB möglich. Das Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher) ist zur Überwindung des Widerstands hinzuzuziehen.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Bestimmung erfasst die Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer Handlungen (§ 887 ZPO) und die Duldungsvollstreckung (§ 890 ZPO). Im Falle der Zwangsvollstreckung vertretbarer Handlungen geht es darum, dem Gläubiger, der zur Ersatzvornahme ermächtigt wurde, die Ausführung derselben auch gegen den Widerstand des Schuldners zu ermöglichen. Das ist z. B. gegeben, wenn der Gläubiger (oder die von ihm beauftragten Personen) die Ersatzvornahme in den Räumen des Schuldners vornehmen muss und dieser den Zutritt zu den Räumen verhindern will. Bei der Duldungsvollstreckung geht es darum, dass dem Gläubiger, dem eine bestimmte Handlung erlaubt ist und die der Schuldner nach dem Titel zu dulden hat, die Ausführung dieser Handlung auch gegen den Willen des Schuldners ermöglicht wird. Das ist z. B. dann der Fall, wenn es dem Gläubiger gestattet ist, das Grundstück des Schuldners zu befahren, dieser nach dem Titel dies zu dulden hat und der Ausführung der Handlung Widerstand entgegensetzt, sich z. B. auf die Fahrbahn setzt oder Schranken errichtet. In den Fällen des § 890 ZPO ist der Weg über die Beseitigung des Widerstandes nach dieser Vorschrift oft effektiver als die Festsetzung von Ordnungsmitteln, die oft erst nach längerer Zeit "Wirkung zeigen".
3 Voraussetzungen
Rz. 3
Es muss entweder ein Vollstreckungstitel mit Ermächtigung zur Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) oder ein Duldungstitel i. S. v. § 890 ZPO vorliegen (Zöller/Seibel, § 892 Rn. 1). Ferner müssen die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben sein. Eine Widerstandsleistung des Schuldners gegen die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung muss nicht bereits erfolgt sein oder gar nachgewiesen werden, es genügt vielmehr, wenn die Erwartung eines Widerstands als bevorstehend behauptet wird (AG Bühl, DGVZ 2010, 61). Des Nachweises oder der Glaubhaftmachung von Widerstand bedarf es hingegen nicht (Zöller/Seibel, § 892, Rn. 1). Bezüglich der Frage wann von Widerstand auszugehen ist, geht die überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass ein solcher auch schon dann vorliegt, wenn die Tür des Schuldners trotz vorherige Ankündigung des Termins dem Gläubiger verschlossen bleibt. Ein aktives sich in den Weg stellen des Schuldners ist hingegen nicht erforderlich (LG Paderborn, Beschluss v. 24.2.2009, 5 T 329/08 – Juris m. w. N.; AG Bühl, DGVZ 2010, 61). Dies ist auch von dem Widerstandsbegriff des § 133 GVGA zu §§ 758 Abs. 3, 759 ZPO gedeckt. Danach ist unter Widerstand jedes Verhalten des Schuldners zu verstehen, welches geeignet ist, die Annahme zu begründen, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen. Es kommt damit auch ein "präventives Vorgehen" des Gläubigers in Betracht. Dieses birgt allerdings das volle Kostenrisiko, da die tatsächliche Beseitigung einen Widerstand voraussetzt. Leistet der Schuldner also keinen Widerstand und kann der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge den Ort der Vollstreckungshandlung verlassen, hat der Gläubiger die Kosten nach § 788 ZPO – als nicht notwendig – zu tragen (LG Braunschweig, DGVZ 1988, 140). Einer Durchsuchungsanordnung (§ 758a ZPO) bedarf es dann nicht, wenn die Ersatzvornahme oder die Duldung nach dem zu vollstreckenden Titel in den Räumen des Schuldners vorzunehmen ist.
4 Hinzuziehen des Gerichtsvollziehers
Rz. 4
Der Ermächtigungsbeschluss des Prozessgerichts stellt einen vollstreckbaren Schuldtitel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dar. Dieser muss dem Schuldner vor Beginn der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers zugestellt werden. Der Gerichtsvollzieher wird zur Beseitigung des Widerstandes durch den Besitz des Schuldtitels und einer Ausfertigung des etwa erlassenen Beschlusses ermächtigt. Er prüft nach dem Inhalt dieser Urkunden selbstständig, ob und inwieweit das Verlangen des Gläubigers oder der Widerstand des Schuldners gerechtfertigt erscheint (AG Gengenbach, Beschluss v. 5.7.2016, 3 C 108/16 – Juris). Des Weiteren ist zur Beseitigung etwaigen bei der Durchführung des Vollstreckungsauftrags antreffenden Widerstands kein weiterer, den Gerichtsvollzieher gesondert ermächtigender, Beschluss erforderlich. Die Ermächtigung ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 892 i. V. m. § 758 Abs. 3 ZPO. Danach ist der Gerichtsvollzieher, soweit er tatsächlichen Widerstand bei Durchführung des Vollstreckungsauftrages antrifft, ohne gesonderte gerichtliche Ermächtigung befugt, diesen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls unter Anwendung von Gewalt zu beseitigen (vgl. § 133 GVGA). Dazu gehört nach herrschender Rechtsprechung trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Bezugnahme insbesondere auch das Öffnen bzw. Öffnen lassen der ...