1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung legt den Zeitpunkt der Übergabe in den Fällen fest, in denen eine vom Schuldner herbeizuführende dingliche Rechtsänderung mit einer Besitzverschaffung verknüpft ist (§§ 929, 1032, 1205 BGB). Während nämlich die Vollstreckung der vom Schuldner in diesen Fällen abzugebenden Willenserklärungen nach § 894 BGB erfolgt, ist die Übergabe nach § 883 BGB durch den Gerichtsvollzieher zu erzwingen. Hier setzt die Vorschrift an und behandelt die Wegnahme seitens des Gerichtsvollziehers als Übergabe (MünchKomm/ZPO-Gruber, § 897 Rn. 1).
2 Anwendungsbereich – Voraussetzungen:
Rz. 2
Erfasst werden sämtliche dinglichen Rechtsänderungen bei beweglichen Sachen (Abs. 1) sowie die Bestellung, Abtretung und Belastung von Grundpfandrechten (Abs. 2).
Rz. 3
Voraussetzung ist, dass der Schuldner verurteilt wurde zur Übertragung des Eigentums oder zur Bestellung eines Rechts an einer beweglichen Sache (Abs. 1) oder zur Bestellung einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder zur Abtretung oder Belastung eines solchen Rechts (Abs. 2). Die Vorschrift des Abs. 2 findet entsprechende Anwendung dann, wenn der Schuldner verurteilt wurde, der Löschung eines Grundpfandrechts zuzustimmen, weil bei Briefrechten die Vorlage des Briefes zur Löschung notwendig ist (BayObLG, InVo 1998, 56 = NJW-RR 1998, 18).
3 Rechtsfolge
Rz. 4
Die Übergabe gilt in allen Fällen dann als erfolgt, wenn der Gerichtsvollzieher die Sache oder den Brief zum Zwecke der Ablieferung an den Gläubiger wegnimmt. Gemeint ist damit die zwangsweise Wegnahme beim Schuldner oder nach § 886 ZPO bei einem zur Herausgabe bereiten Dritten; die Regelung greift aber auch dann ein, wenn der Schuldner die Sache freiwillig an den Gerichtsvollzieher zur Weiterleitung an den Gläubiger herausgibt.
Rz. 5
Die Fiktion bewirkt, dass vom Augenblick der Wegnahme (Übergabe) der Gläubiger die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung der Sache zu tragen hat und der Schuldner gleichzeitig von seiner Übergabeverpflichtung frei wird. Ist zum Zeitpunkt der Besitzerlangung durch den Gerichtsvollzieher die (weitere) Fiktion des § 894 ZPO bereits eingetreten, ist der Erwerbsvorgang nunmehr beendet. Es ist aber in beiden Fällen der Vorschrift (Abs. 1 und 2) zulässig, dass die Wegnahme aufgrund eines nur für vorläufig vollstreckbaren Titels bereits erfolgen kann. Dann allerdings kann der Erwerbsvorgang erst abgeschlossen werden, wenn (auch) die Fiktion des § 894 BGB eingreift, dieses Urteil Rechtskraft erlangt. Ist schließlich die Verpflichtung des Schuldners von einer Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung des Gläubigers abhängig, sind die Bestimmungen der §§ 726 Abs. 2, 756, 894 Satz 2 ZPO zu beachten.