Rz. 2
In Abs. 1 wird der Inhalt der bis zum 30.11.2021 geltenden Rechtslage in § 850k Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 ZPO weitgehend übernommen; es handelt sich hierbei um die Gewährung des Grundfreibetrages auf dem P-Konto (sog. Stufe 1 des Kontopfändungsschutzes).
Rz. 3
Nach § 899 Abs. 1 Satz 1 HS 1 ZPO kann ein Schuldner bei einer Pfändung des Guthabens auf dem P-Konto jeweils bis zum Kalendermonatsende aus dem gepfändeten Guthaben über den sog. Grundfreibetrag (bis zum 30.11.2021 sog. Sockelfreibetrag) nach § 850c Abs. 1 ZPO verfügen. Im Gegensatz bis zur Rechtslage zum 30.11.2021 gilt allerdings, dass (nur) der Grundfreibetrag auf den nächsten vollen 10-EUR-Betrag nach § 850c Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 ZPO aufzurunden ist. Insoweit erfasst die Pfändung das Guthaben nicht (§ 899 Abs. 1 Satz 1 HS 2 ZPO).
Der Pfändungsschutz greift automatisch und erstreckt sich auf alle auf dem P-Konto gutgeschriebenen Beträge (vgl. BTDrucks 16/12714, S. 19; BVerfG, NJW 2014, 3771).
Rz. 4
Mit "Guthaben" im Sinne des Abs. 1 Satz 1 sind stets alle bei Pfändung auf dem Konto befindlichen und nach der Pfändung eingehenden Beträge im Kalendermonat gemeint (s. auch § 833a1.260 ZPO), gleichgültig, ob diese für den Schuldner oder für Dritte bestimmt sind bzw. versehentlich auf dem Konto eingehen (AG Remscheid JurBüro 2016, 381; AG Wuppertal 5.2.2016 – 44 M 5789/03; AG Kassel 13.10.2015 – 620 M 365/14; LG Köln ZVI 2018, 60; AG Oranienburg JurBüro 2016, 208; LG Lüneburg JurBüro 2017, 491; LG Potsdam JurBüro 2017, 380). Gleichgültig ist insofern, aus welcher regelmäßigen oder einmaligen Quelle das Guthaben stammt (Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO 4. Auflage, § 850k Rn. 13). Bei einem sich im Soll befindlichen Konto kann es daher keinen Pfändungsschutz geben (AG Köln ZIP 2011, 168; Bitter ZIP 2011, 149; Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO 4. Auflage, § 850k Rn. 13).
Unerheblich ist auch, wann die Pfändung wirksam wird (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO). Insofern kann der Schuldner über den gesamten Freibetrag des Monats der Pfändung verfügen, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Gutschrift (vor oder nach der Pfändung; VGH Baden-Württemberg KKZ 2019, 140). Es ist aus Gründen der einfacheren Praktikabilität der gesamte Betrag pfändungsfrei zu stellen (BT-Drucksache 16/7615 S. 18). Verfügungen, die der Schuldner in diesem Monat vor Wirksamwerden der Pfändung vorgenommen hat, schmälern daher den pfändungsfreien Betrag nicht (a. A. Goebel FoVo 2010, 121) und sind daher für das Guthaben ohne Bedeutung; sie werden also bei seiner Berechnung nicht mit einbezogen und können deshalb auch den pfändbaren Betrag nicht erhöhen bzw. den Freibetrag verringern (Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO 4. Auflage, § 850k Rn. 13). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Drittschuldners, den pfändungsfreien Guthabenbetrag des Schuldners zu ermitteln und den darüber hinausgehenden Betrag an den Gläubiger auszukehren. Trotz erfolgter Kontopfändung bleibt somit die Funktionsfähigkeit eines Zahlungskontos und damit die Möglichkeit des Schuldners zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr weitgehend erhalten (VGH Baden-Württemberg, KKZ 2019, 140).
Rz. 5
Unter den Begriff (Konto-)Verfügung fallen dabei nur Zahlungsvorgänge, die zur Belastung des Kontos führen (BGH, WM 2017, 2303 = ZIP 2017, 2290 = ZInsO 2017, 2647 = MDR 2018, 54 = EWiR 2018, 1) wie z. B. Barauszahlung, Barabhebung am eigenen Geldautomat (BGH, WM 2017, 2306 = ZIP 2017, 2292 = ZInsO 2017, 2650 = EWiR 2017, 741; der Umstand, dass die Bank als Drittschuldner den Zahlungsvorgang erst zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Konto verbucht, ist für den Abschluss des Zahlungsvorgangs und damit auch für das Vorliegen einer Verfügung unerheblich. Der Schuldner kann also noch am letzten Tag eines Kalendermonats wirksam über sein P-Konto innerhalb des ihm zustehende Freibetrages wirksam verfügen. Der Zeitpunkt der Abhebung des Geldes als solches ist somit maßgeblich, d. h. Ausführung von Überweisungsaufträgen, Einlösung von Schecks, Lastschriften oder sonstiger Zahlungspapiere durch Belastung des Kontos und der Einsatz von Bank- und Kreditkarten. Der Schuldner als Bankkunde hat über sein Konto allerdings erst verfügt, wenn die Bank den Zahlungsvorgang ausgeführt und auf dem Konto eine belastende Buchung vorgenommen hat, weil nur so der Auszahlungsanspruch des Kunden gegenüber dem Kreditinstitut erlischt (§ 362 Abs. 1 BGB). Lediglich der Versuch einer Barabhebung stellt daher keine Verfügung im Sinne von § 899 Abs. 1 ZPO dar.
Rz. 6
Der alleinstehende und kinderlose Schuldner S erhält im Juli 2021 monatliches Arbeitseinkommen i. H. v. 2.000 EUR auf sein gepfändetes P-Konto überwiesen. In welcher Höhe kann S über Guthaben verfügen?
Lösung
Die Bank muss für August bis einschließlich November 2021 den Grundfreibetrag von 1.252,64 EUR beachten und bis zu dieser Höhe Überweisungen ausführen (§ 850k Abs. 1 Satz 1, § 850c Abs. 1 ZPO a. F.). Ab dem 1.12.2021 beträgt der Grundfreibetrag des alleinsteh...