Rz. 4

Nach Abs. 2 werden laufende nachgezahlte Geldleistungen nach dem SGB geschützt, soweit der Schutz dieser Leistungen nicht bereits nach Abs. 1 absolut unpfändbar ist. Betroffen hiervon sind insbesondere Zahlungen aus der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten-, und Unfallversicherung oder Krankengeld nach dem SGB V. Ebenfalls wird nachgezahltes Arbeitseinkommen gemäß § 850 Abs. 2, 3 ZPO – wozu auch Beamtenpensionen und Betriebsrenten gehören (BT-Drucksache 19/23171, 30) – erfasst. Dadurch soll eine einheitliche Bescheinigungspraxis für sämtliche laufende Geldleistungen und damit eine Verbesserung des Schuldnerschutzes ermöglicht werden.

Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden:

2.1 Bagatellgrenze bis 500 EUR

 

Rz. 5

Bis zu einer Grenze von 500 EUR sind Nachzahlungen in jedem Fall unpfändbar. Damit entfällt – zur einfacheren Handhabung von Nachzahlungen – eine Rückrechnung, ob in dem Monat, für den die nachgezahlte Geldleistung bestimmt ist, pfändungsfreies Guthaben entstanden wäre. Insofern muss das Kreditinstitut als Drittschuldner ohne weitere Prüfung bis zu der Bagatellgrenze von 500 EUR Nachzahlungen an den Schuldner auszahlen, wenn der Schuldner hierüber einen entsprechenden Nachweis erbringt (Abs. 4 i. V. m. § 903 Abs. 1, 3 Satz 1 ZPO; vgl. auch RZ 15).

 

Rz. 6

 
Praxis-Beispiel

Der ledige Schuldner S bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 EUR. Er erhält im Januar 2022 für November und Dezember 2021 eine (Netto-)Nachzahlung von Arbeitseinkommen in Höhe von insgesamt 500 EUR dem gepfändeten P-Konto gutgeschrieben.

Lösung

Der Freibetrag für den Schuldner beträgt seit dem 1.12.2021 monatlich 1.260 EUR (§ 899 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 850c Abs. 1, 4 ZPO). Durch die Nachzahlung von 500 EUR zzgl. der monatlichen überwiesenen Einkünfte von 1.500 EUR wird der monatliche Freibetrag im Januar 2021 um 740 EUR (= 2.000 EUR – 1.260 EUR) überschritten. Dieser Betrag wäre somit pfändbar. Gemäß § 904 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 850 Abs. 2 ZPO handelt es sich jedoch bei der Nachzahlung von 500 EUR um eine unpfändbare Leistung. Das Kreditinstitut als Drittschuldner muss diese bei Nachweis durch S zusätzlich zum Freibetrag von 1.260 EUR an S auszahlen, somit insgesamt 1.760 EUR. Pfändbar sind somit 240 EUR (= 2.000 EUR – 1.760 EUR).

2.2 Nachzahlung über 500 EUR: Leistungszeitraum ist bestimmt (Abs. 3)

 

Rz. 7

Abs. 3 Satz 1 ZPO regelt den Fall, dass die Nachzahlungen die Bagatellgrenze von 500 EUR bei laufenden Geldleistungen im Sinne von § 904 Abs. 2 ZPO (vgl. RZ 4) übersteigen. In diesem Fall sind die nachgezahlten Beträge bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie tatsächlich bestimmt sind.

 

Rz. 8

 
Hinweis

Pfändungsschutz kann für solche Geldleistungen aber nur durch das Vollstreckungsgericht auf Antrag bewirkt werden (Abs. 5). Insofern muss ein Schuldner aktiv werden. Es ist – im Gegensatz zu Abs. 1, 2 – daher nicht Aufgabe des Drittschuldners, eine Berechnung vorzunehmen. Stellt der Schuldner daher keinen entsprechenden Antrag, muss das Kreditinstitut als Drittschuldner die Nachzahlung an den Gläubiger auszahlen.

 

Rz. 9

Die Regelung stellt für die Vollstreckungsgerichte eine Mehrarbeit dar. Denn bei einer Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht ist es erforderlich, dass zuvor eine nachträgliche Betrachtung der in den jeweiligen Monaten erfolgten Kontobewegungen zu prüfen ist. Nur so lässt sich ermitteln, ob die Nachzahlung zu einem pfändbaren Guthaben im betreffenden Monat geführt hätte. Insofern hat der Schuldner bei Antragstellung seine anspruchsbegründenden Tatsachen gegenüber dem Gericht darzulegen. Insbesondere muss er diesbezüglich sämtliche Kontoauszüge in geordneter Weise vorlegen.

 

Rz. 10

 
Praxis-Beispiel

Der verheiratete Schuldner S bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 EUR. Er erhält im Januar 2022 für September bis Dezember 2021 eine (Netto-)Nachzahlung von 1.200 EUR (= 300 EUR/Monat) dem gepfändeten P-Konto gutgeschrieben.

Lösung

Der Nachzahlungsbetrag von 1.200 EUR entspricht, aufgeteilt auf die Monate September bis Dezember 2021, monatlich 300 EUR. Der P-Konto-Freibetrag betrug bis zum 30.11.2021 monatlich 1.724,08 EUR (§ 850k Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a ZPO a. F.). Seit dem 1.12.2021 beträgt er monatlich 1.731,44 EUR (§ 899 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 850c Abs. 2 ZPO). Der für den jeweiligen Monat September bis Dezember 2021 nachgezahlte Betrag von jeweils 300 EUR hätte im jeweiligen Monat zu keinem pfändbaren Guthaben geführt:

 
September 2021  
Nettoeinkommen: 1.500,00 EUR
+ Nachzahlung 300,00 EUR
Summe Zahlungseingang P-Konto 1.800,00 EUR
abzüglich Freibetrag – 1.724,08 EUR
pfändbarer Betrag 75,92 EUR
 
Oktober 2021  
Nettoeinkommen: 1.500,00 EUR
+ Nachzahlung 300,00 EUR
Summe Zahlungseingang P-Konto 1.800,00 EUR
abzüglich Freibetrag – 1.724,08 EUR
pfändbarer Betrag 75,92 EUR
 
November 2021  
Nettoeinkommen: 1.500,00 EUR
+ Nachzahlung 300,00 EUR
Summe Zahlungseingang P-Konto 1.800,00 EUR
abzüglich Freibetrag – 1.724,08 EUR
pfändbarer Betrag 75,92 EUR
 
Dezember 2021  
Nettoeinkommen: 1.500,00 EUR
+ Nachzahlung 300,00 EUR
Summe Zahlungseingang ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?