Zusammenfassung
Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.12.2021 durch das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG; BGBl. I 2020, S. 2466) eingeführt.
§ 905 Satz 1 ZPO nimmt im Grundsatz den Regelungsinhalt des bis zum 30.11.2021 geltenden § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO a. F. auf, wonach das Vollstreckungsgericht die Erhöhungsbeträge zu bestimmen hatte, wenn der Schuldner den Nachweis nicht durch Vorlage einer Bescheinigung einer zur Ausstellung berechtigten Stelle führen konnte. Da bislang die zur Ausstellung von Bescheinigungen ermächtigten Stellen zur Erstellung nicht verpflichtet waren, führte dies in der Praxis oft zu einer "Odyssee" der Betroffenen, wenn Schuldner von einer Stelle zur nächsten geschickt wurden. Um zu verhindern, dass der Schuldner von einer Stelle zur nächsten geschickt wird, ist nunmehr – neben der Verpflichtung für bestimmte Stellen zur Abgabe von Erklärungen in § 903 Abs. 3 ZPO – die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts konkretisiert.
1 Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts
Rz. 1
Nach Satz 1 Nr. 1 ist es ausreichend, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass er bereits bei zur Erteilung der Bescheinigung berechtigten Stellen im Sinne des § 903 Abs. 1 Satz 2 ZPO erfolglos versucht hat, einen Nachweis zu erhalten. Soweit er von einer der in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO genannten Stellen eine Leistung bezieht, hat er sich an diese zu wenden. Dabei ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der Schuldner die zur Abgabe einer Erklärung verpflichtete Stelle persönlich aufsucht. Erforderlich ist aber stets, dass der Versuch zur Erlangung der Bescheinigung ernsthaft unternommen wurde. Dies kann schriftlich oder telefonisch erfolgen.
Rz. 2
Nach Satz 1 Nr. 2 hat sich der Schuldner, sollte eine Bescheinigung, die die für den Schuldner im Sinne von § 902 Satz 1 ZPO maßgeblichen Umstände erfasst, dort nicht in zumutbarer Weise zu erlangen sein, an eine weitere Stelle, die zur Erteilung der Bescheinigung berechtigt ist, zu wenden. Bei der weiteren Stelle gemäß Satz 1 Nr. 2 kann es sich auch um eine Schuldnerberatungsstelle der öffentlichen oder freien Wohlfahrtspflege handeln. Die Evaluierung hat hierzu ergeben, dass schon derzeit die Schuldnerberatungsstellen aufgrund ihrer inhaltlichen Kompetenz über eine besondere Erfahrung bei der Ausstellung von Bescheinigungen zum Nachweis der Erhöhungsbeträge verfügen. Dies gilt umso mehr, als dass der von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände in Absprache mit der Deutschen Kreditwirtschaft entwickelte (Muster-)Vordruck in einem hohen Maße akzeptiert wird.
2 Verfahren
Rz. 3
Der Schuldner hat bei Antragstellung gegenüber dem Vollstreckungsgericht glaubhaft zu machen, dass er sich darum bemüht hat, zunächst bei der die Leistung gewährenden Stelle – z. B. dem Sozialleistungsträger – die erforderliche Bescheinigung zu erlangen, und dies sodann bei einer weiteren Stelle z. B. einer Schuldnerberatungsstelle nochmals versucht hat. Er hat in diesem Zusammenhang glaubhaft zu machen, dass er die Bescheinigung von den beiden genannten Stellen nicht in zumutbarer Weise erlangen konnte. Dabei ist hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit gerade auch der Zeitraum zwischen dem Nachsuchen des Schuldners um die Bescheinigung und dem Zeitpunkt, in dem er bei einem geordneten Verwaltungsablauf mit der Ausstellung rechnen kann, maßgeblich. Darüber hinaus sind die den Schuldner im Vollstreckungsverfahren betreffenden Fristen bedeutsam: So besteht zugunsten des Schuldners z. B. in den Fällen des § 900 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Moratorium für die Leistung aus dem Guthaben von nur einem Kalendermonat; innerhalb dieses Zeitraums müsste der Schuldner ebenfalls einen Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung führen, um Erhöhungsbeträge pfändungsfrei zu stellen. Diese zeitlichen Kriterien müssen daher auch für das Vollstreckungsgericht bei der Ausfüllung des Begriffs der Zumutbarkeit beachtet werden. Sollte eine Bescheinigung in zumutbarer Weise auch bei einer weiteren berechtigten Stelle nicht zu erlangen sein, muss der Schuldner daher nicht noch weitere Stellen (möglicherweise wiederum erfolglos) aufsuchen. Dem Vollstreckungsgericht kommt in diesen Fällen kein Ermessensspielraum für sein Tätigwerden zu.
2.1 Beschlusswirkung (Satz 3)
Rz. 4
Der Beschluss über die Bestimmung der Erhöhungsbeträge durch das Vollstreckungsgericht hat dieselbe Wirkung wie eine durch die zuständige Stelle ausgestellte Bescheinigung (Satz 3). Diese in Beschlussform ergangene Bescheinigung kann jedoch durch eine spätere Bescheinigung ersetzt werden, auch wenn diese nicht in Beschlussform ergeht (BT-Drucksache 19/19850, 42). Erlangt der Schuldner daher von der zuständigen Stelle zeitlich später eine Bescheinigung, die weitere bzw. neue Erhöhungsbeträge bescheinigt, ersetzt diese Bescheinigung den zuvor erlassenen gerichtlichen Beschluss.
Rz. 5
Dies dürfte in der Praxis vor allem bei Kreditinstituten für Verwirrung sorgen: Denn wenn diesen zuvor eine gerichtliche Entscheidung über die Erhöhung zugestellt wurde und diese dann nachträglich dadurch wegfallen soll, indem der Schuldner eine...