Zusammenfassung
Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.12.2021 durch das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG; BGBl. I 2020, S. 2466) eingeführt. Sie übernimmt die Regelung des § 850l ZPO in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung, verkürzt dabei jedoch den Prognosezeitraum auf 6Monate. Die Norm bezweckt es zu ermöglichen, dass das Vollstreckungsgericht eine befristete Unpfändbarkeit von Guthaben nur auf einem P-Konto in den Fällen anordnet, in denen eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint (Sonderbestimmung für das P-Konto; BT-Drucksache 16/12714, S. 22). In Härtefällen bleibt § 765a ZPO daneben anwendbar (BT-Drucksache 16/7615, S. 30; BFH ZInsO 2017, 1855). Die Regelung dient vorrangig den Interessen des Schuldners. Sie bewirkt aber ebenfalls eine Entlastung der Gerichte sowie der Kreditinstitute. Denn durch die Festsetzung der Unpfändbarkeit entfällt die Notwendigkeit, Nachweise zu erbringen, die zur Erhöhung des Grundfreibetrags führen (vgl. 903 ZPO). Fragen, die im Zusammenhang mit der vielfach komplexen Ansparmöglichkeit (§ 899 Abs. 2 Satz 1 ZPO) stehen, stellen sich darüber hinaus nicht. Durch die Verkürzung der Prognosefrist wird es den Vollstreckungsgerichten erleichtert, einen entsprechenden Beschluss zu erlassen (BT-Drucks. 19/19850, 44).
1 Anwendungsbereich
Rz. 1
Anwendbar ist die Norm, wenn das Guthaben auf einem P-Konto gepfändet wurde. Eine rein prophylaktische Antragstellung scheidet daher aus. Wenn überhaupt spielt die Regelung in der Praxis nur eine Rolle, wenn Sozialleistungen dem gepfändeten Konto gutgeschrieben werden, oder bei einer Doppelpfändung von Arbeitseinkommen und Kontopfändung der Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung (BGHZ 191, 270 = NJW 2012, 79 = Vollstreckung effektiv 2012, 23; vgl. auch § 906 Rz. 10) nicht besteht.
2 Voraussetzungen
2.1 Voraussichtliche Erfolglosigkeit der Vollstreckung
Rz. 2
Eine befristete Anordnung der Unpfändbarkeit der Kontopfändung macht erforderlich, dass der Schuldner beim Vollstreckungsgericht die befristete Aufhebung der Pfändung beantragt und glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung für den Pfändungsgläubiger aussichtslos erscheint (BT-Drucksache 16/12714, S. 22).
2.2 Erforderlicher Tatsachenvortrag des Schuldners
Rz. 3
Der Schuldner muss nachweisen – nicht nur glaubhaft machen –, dass in den letzten 6Monaten vor dem Antrag überwiegend unpfändbare Beträge auf dem Konto gutgeschrieben wurden (Abs. 1 Satz 1 Nummer 1). Der Antrag kann damit auch schon unmittelbar nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses gestellt werden. Hieraus folgt aber auch zugleich, dass ein gelegentlicher Eingang unbedeutender – pfändbarer – Beträge einem Antrag nicht entgegen steht (HK-ZV/Meller-Hannich, § 850l Rn 10). Die Unpfändbarkeit der gutgeschriebenen Leistungen kann sich aus den Regelungen der ZPO (z. B. § 850c ZPO), des SGB I (z. B. §§ 54 SGB I, 42 SGB III) oder besonderen Leistungsgesetzen (z. B. § 76a EStG) ergeben.
Rz. 4
Bei der Beurteilung der Unpfändbarkeit ist allerdings nicht nur der zeitliche Aspekt zu betrachten, sondern vor allem auch die Höhe der pfändbaren Beträge spielt eine entscheidende Rolle (BeckOK ZPO/Riedel, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 850l Rz. 4.1).
Rz. 5
Dem gepfändeten P-Konto des Schuldners wurden in 4 der letzten 6 Monate keine pfändbaren Beträge gutgeschrieben. In 2 der letzten 6 Monate haben sich allerdings pfändbare Beträge ergeben.
Lösung
Zeitlich betrachtet sind zwar überwiegend unpfändbare Beträge dem Konto gutgeschrieben worden. Dennoch darf eine Anordnung der befristeten Unpfändbarkeit nur in Betracht kommen, wenn sich in der Summe nur geringe pfändbare Beträge ergeben haben.
Rz. 6
Der Schuldner muss weiterhin glaubhaft machen, dass auch in den nächsten 6 Monaten – bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung – nur mit dem Eingang von ganz überwiegend nicht oder allenfalls in geringfügigem Umfang pfändbaren Beträgen zu rechnen ist (Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 ZPO). Pauschale Aussagen, dass innerhalb der nächsten 6Monate aller Voraussicht nach nicht mit dem Eingang pfändbarer Beträge auf dem P-Konto zu rechnen ist, werden den strengen Anforderungen an die zukunftsbezogene Prognose daher nicht gerecht, da sie weder Darlegung noch Glaubhaftmachung enthalten (AG Hannover ZVI 2011, 230). Vielmehr kann eine solche Zukunftsprognose z. B. nur bejaht werden, wenn der Schuldner berufsunfähig ist und eine Besserung seiner gesundheitlichen Beschwerden kurz- und mittelfristig nicht zu erwarten ist oder er sich als Empfänger sozialer Transferleistungen schon seit Längerem erfolglos um einen Arbeitsplatz bemüht hat (vgl. §§ 2, 10 SGB II; BT-Drs. 16/7615, 17; BeckOK ZPO/Riedel, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 850l Rz. 5), ebenso, wenn die Rente des Schuldners unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt und er glaubhaft machen kann, dass zu erwarten ist, dass seinem Konto in den folgenden 6Monaten nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge gutgeschrieben werden (AG Bochum VuR 2012, 413). Vor dem Hintergrund, dass ein angemessener Ausgleich der Interessen von Gläubiger und Schuldner gefunden werden muss, sind nicht zu geringe Anforderungen an die Pr...