Rz. 62

Die Ausübung der Zwangsvollstreckung ist Staatstätigkeit, die im Dienst der Verwirklichung der privaten Rechte der Bürger steht. Wegen des Gewaltmonopols hat allein der Staat das Recht zum Zwang (Ausnahme: die eingeschränkten Selbsthilferechte nach den §§ 229f., 562b und 859 BGB). Als "Kehrseite" des Justizgewährungsanspruchs besteht daher das Recht des Gläubigers auf Vornahme der von ihm beantragten einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen (sog. Vollstreckungsanspruch) durch die Organe des Staates. Es ist daher konsequent, wenn die Zwangsvollstreckung auf deutschem Hoheitsgebiet durch deutsche Vollstreckungsorgane nach deutschen Gesetzen stattfindet. Die Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit nach den §§ 18 bis 20 GVG erstreckt sich deshalb grundsätzlich auch auf die Zwangsvollstreckung (BVerfGE 64, 1).

 

Rz. 63

Was für die Befreiung Exterritorialer gilt, gilt nicht für die Befreiung ausländischer Staaten, die sich unmittelbar nach den Regeln des Völkerrechts richtet. Auch die freiwillige Unterwerfung unter die entscheidende Gerichtsgewalt bedeutet in aller Regel nicht zugleich die Unterwerfung unter die vollstreckende Gewalt eines Staates. Lediglich deutsche Vollstreckungstitel geben grundsätzlich die Befugnis, die Zwangsvollstreckung im Inland nach den Regeln der Zivilprozessordnung betreiben zu lassen. Aus Urteilen ausländischer Gerichte sowie ausländischen anderen Titeln kann die Zwangsvollstreckung im Inland nur dann betrieben werden, wenn sie für zulässig erklärt ist, entweder allgemein aufgrund von Staatsverträgen (multi- oder bilateraler Übereinkommen) und Europäischen Verordnungen oder im Einzelfall durch Vollstreckungsurteil (§§ 722, 723 ZPO).Wesentliche Bedeutung erlangt insoweit das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 8. Juli 2014 (BGBl. I S. 890) welches am 15. Januar 2015 in Kraft tritt. Dieses Gesetz wurde notwendig durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1; im Folgenden: Brüssel-Ia-Verordnung) verabschiedet. Die Verordnung findet ab dem 10. Januar 2015 in 27 EU-Mitgliedstaaten sowie mittelbar auch im Verhältnis zu Dänemark Anwendung. Sie ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1; im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung). Dadurch entfällt insbesondere das Vollstreckbarerklärungsverfahren, das bislang der Vollstreckung ausländischer Titel vorgeschaltet ist. Die Neuregelung gilt in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar, bedurfte jedoch einiger ergänzender Durchführungsvorschriften, welche in dem o. a. Gesetz erlassen sind. Durch dieses Gesetz wurde das Buch 11 (Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union) um einen Abschnitt 7 "Anerkennung und Vollstreckung nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012" mit den §§ 1110 bis 1117 ZPO ergänzt. Damit enthält dieses Buch 11 neben den Abschnitten 4 (Europäische Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004), 5 (Europäisches Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2002) und 6 (Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 861/2007) für das Verfahren der Zwangsvollstreckung wichtige internationale Regelungen im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten der EU. Daneben verlieren die §§ 722 und 723 ZPO nicht ihre Bedeutung und auch nicht das Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Abkommen der Europäischen Union auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (AVAG), das zuletzt mit Wirkung vom 26. Februar 2013 geändert wurde.

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