Rz. 51
Die Zwangsvollstreckung bringt (fast) immer schwerwiegende Eingriffe in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners mit sich. Daher müssen ihm Rechtsbehelfe zustehen. Aber auch der Vollstreckungsgläubiger muss die Gelegenheit haben, sich gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung zu wenden, wenn sie seinen Anträgen oder auch Interessen nicht entspricht. Schließlich müssen sich auch Dritte gegen die Zwangsvollstreckung wehren können, wenn diese in ihre Rechtssphäre eingreift. Immer muss aber berücksichtigt werden, dass ein "Zuviel" an Rechtsbehelfen das Verfahren der Zwangsvollstreckung untauglich machen kann, weil etwa der Vollstreckungsschuldner immer wieder versucht, die Zwangsvollstreckung unter Ausnutzung von Rechtsbehelfen zu verschleppen oder gar lahmzulegen.
Rz. 52
Das komplizierte System der Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung (vgl. u. a. Gottwald, ZAP Fach 14, 717; Gaul, ZZP 1985, 251 ff.; Wetzel, JuS 1990, 198 ff.) versucht, die Interessen aller am Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten hinreichend zu berücksichtigen. Es werden folgende einzelne Rechtsbehelfe unterschieden:
- die Erinnerung gemäß § 766 ZPO, mit ihr wird die Fehlerhaftigkeit einzelner Vollstreckungsakte (Art und Weise der Zwangsvollstreckung), d. h. das Verfahren der Vollstreckungsorgane, gerügt;
- die befristete Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG, die sich gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers richtet, wenn nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein (anderes) Rechtsmittel nicht gegeben ist;
- die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO, die sich gegen die Entscheidungen des Richters und des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 793 ZPO) richtet;
- die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO, sofern sie vom Beschwerdegericht zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) worden ist; sie richtet sich gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts im Verfahren der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO;
- die Beschwerde gemäß § 71 GBO, die sich gegen Entscheidungen des Grundbuchamtes (Richter oder Rechtspfleger, § 11 Abs. 1 RPflG) richtet, die dieses im Zwangsvollstreckungsverfahren trifft, wenn also das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird;
- die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO, die sich gegen die Vollstreckbarkeit des Titels richtet; beachte aber auch § 785 ZPO;
- die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO, mit der ein Dritter an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend machen kann;
- die Klage auf vorzugsweise Befriedigung gemäß § 805 ZPO, mit der der Inhaber eines nicht an den Besitz gebundenen Pfand- oder sonstigen Vorzugsrechts an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös geltend machen kann.
Gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die für den Vollstreckungsschuldner eine sittenwidrige Härte bedeuten, steht diesem schließlich der generalklauselartige (Auffang-) Rechtsbehelf des § 765a ZPO (BGH, NJW 1965, 2107) zur Verfügung.
Rz. 53
Von diesen im "eigentlichen" Zwangsvollstreckungsverfahren gegebenen Rechtsbehelfen sind diejenigen zu unterscheiden, die im – vorgeschalteten – Verfahren der Klauselerteilung in Betracht kommen:
Rz. 54
Die Erinnerung (§ 766 ZPO), die Erinnerung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG) und die sofortige Beschwerde (§§ 793, 567 ff. ZPO), auch diejenige gegen Entscheidungen des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 793, 567 ff. ZPO) haben gemeinsam, dass sie Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler der Vollstreckungsorgane bieten und damit den gesetzmäßigen Ablauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens gewährleisten (sollen). Demgegenüber werden mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) und der Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) materielle Einwendungen gegen den Titel verfolgt. Sie sind das Regulativ zum Verfahrensgrundsatz der Formalisierung und nur deshalb notwendig, weil das Vollstreckungsorgan nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz hat.