Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
Nach dem in § 903 BGB geregelten Grundsatz kann jeder Grundstückseigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, einerseits mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren und andererseits andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Eigentümerbefugnisse beschränken sich nicht nur auf die Grundstücksfläche als solche, sondern erstrecken sich auch auf den Luftraum über der Oberfläche und den Erdkörper unter der Oberfläche des Grundstücks (§ 905 BGB).
Grundstücksgrenze
Die Rechte des Eigentümers enden an den Grundstücksgrenzen, die so gesehen seinen Herrschaftsbereich markieren. Grundstücksgrenzen wurden seit altersher durch Pflöcke, Steine, Gräben, Mauern oder auf ähnliche Weise gekennzeichnet, soweit sie nicht in der Natur etwa durch einen Wasserlauf kenntlich sind. Heute sind Grundstücksgrenzen vermessungstechnisch festgelegte Linien, die ein Grundstück als einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche von einem anderen Grundstück trennen.
Die vermessungstechnische Ermittlung und Festlegung der Grundstücksgrenzen liegt sowohl im öffentlichen Interesse, weil die dadurch mögliche Individualisierung von Grundstücken als Grundlage für Steuererhebungen und öffentliche Planungsmaßnahmen unterschiedlichster Art dient. Sie liegt aber auch im Interesse der beteiligten Nachbarn, weil sie deren grundstücksbezogene Herrschaftsbereiche abgrenzt und eine exakte Grenzziehung wichtige Voraussetzung ist etwa für das Einhalten von Grenzabständen zum Nachbargrundstück beim Hausbau oder beim Pflanzen von Bäumen, Sträuchern oder Hecken. Ebenso wichtig ist es, den genauen Grenzverlauf zu kennen, wenn zwischen angrenzenden Nachbarn über einen sog. Grenzüberbau oder ein Fenster- und Lichtrecht gestritten wird.
Grenzstreitigkeit
An der gemeinschaftlichen Grundstücksgrenze berühren sich also die Interessen des einen Nachbarn mit denen des anderen. Es ist daher verständlich, wenn zwischen zwei Grundstücksnachbarn Meinungsverschiedenheiten über den Verlauf der beiderseitigen Grenze auftreten. Hier hilft der Gesetzgeber, der mit § 919 und § 920 BGB zwei grundlegende Vorschriften über das Recht der Grundstücksgrenze geschaffen hat, und zwar einmal für den Fall, dass die Grenze zwar bekannt ist, Grenzzeichen aber fehlen, von ihrem ursprünglichen Standort versetzt wurden oder unkenntlich geworden sind (§ 919 BGB) und zum anderen für den Fall, dass zwischen beiden Nachbarn Zweifel über den richtigen Grenzverlauf bestehen, ohne dass der eine oder der andere die von ihm behauptete Grenze beweisen kann (§ 920 BGB). Im ersteren Fall ermöglicht das Gesetz die gemeinschaftliche Abmarkung der unbestrittenen Grenze (Grenzabmarkung), im zweiten Fall die Feststellung der Grenze durch Gerichtsurteil (Grenzscheidung).