Besteht Streit über die Grenze und kann einer der beteiligten Grundstücksnachbarn den von ihm behaupteten Grenzverlauf beweisen, kann er auf Feststellung der Grenze, Herausgabe des von ihm beanspruchten Grundstücksteils (§ 985 BGB) bzw. Unterlassung der Benutzung des von dem anderen Nachbarn beanspruchten Grundstücksteils (§ 1004 Abs. 1 BGB) klagen.

4.1 Grenzfeststellungsvertrag

Ist der genaue Grenzverlauf nicht bekannt und lässt sich dieser auch nicht ermitteln, kommt in erster Linie ein Antrag auf Feststellung der Grenze durch das Kataster- und Vermessungsamt infrage. Die von dieser Behörde aufgrund der Katasterunterlagen ermittelte Grenze hat die Vermutung der Richtigkeit für sich. Die beteiligten Nachbarn können sich auf den ermittelten Grenzverlauf gütlich einigen, indem sie ihn anerkennen. Eine derartige Vereinbarung (sog. Grenzfeststellungsvertrag) bedarf nicht der notariellen Beurkundung nach § 313 BGB, wenn nach dem Willen der beteiligten Nachbarn keine Grundstücksteile abgetreten oder ausgetauscht werden sollen, also keine neue Grenze festgelegt werden soll. Ein derartiger Grenzfeststellungsvertrag kann auch in den Erklärungen der Beteiligten in einem Abmarkungsprotokoll der Kataster- und Vermessungsbehörde enthalten sein.[1] Liegen einem Grenzfeststellungsvertrag aber wesentliche Vermessungsfehler zugrunde, sind die beteiligten Nachbarn an ihn wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage nicht gebunden.[2]

[1] OLG Brandenburg, Urteil v. 28.8.2008, 5 U 111/06.
[2] So BGH, Urteil v. 9.2.1972, V ZR 120/77, MDR 1979, 743; vgl. zum Grenzfeststellungsvertrag auch BayVGH, Urteil v. 20.12.1972, 155 IV 69, BayVBl 1974, 45.

4.2 Grenzscheidungsklage

Kann keiner der beteiligten Nachbarn den Nachweis über den von ihm behaupteten Grenzverlauf führen und ist zwischen ihnen auch keine gütliche Einigung in Form eines Grenzfeststellungsvertrags möglich, verbleibt als letzte Möglichkeit nur die Grenzscheidungsklage nach § 920 BGB auf Feststellung der Grenze zwischen den benachbarten Grundstücken durch den Zivilrichter.[1] Der Anspruch auf Grenzscheidung unterliegt nicht der Verjährung (§ 924 BGB).

Zuständig zur Entscheidung sind die Zivilgerichte. Örtlich zuständig ist je nach Streitwert das Amts- oder Landgericht, in dessen Bezirk die Grundstücke liegen (§ 24 ZPO). Voraussetzung für die Klage ist, dass keiner der beteiligten Nachbarn die richtige Grenze nachweisen kann. Dabei ist es prozessual unschädlich, wenn der Kläger in erster Linie das Eigentum innerhalb einer nachweisbaren Grenze für sich in Anspruch nimmt und nur hilfsweise den Grenzscheidungsanspruch für den Fall geltend macht, dass ihm der Beweis für die behauptete Grenze nicht gelingt.[2] Der Richter hat zunächst aufgrund der Abmarkung, der Beweismittel der Parteien und unter Zuhilfenahme von Kataster und Grundbuch die richtige Grenze zu ermitteln. Wenn das nicht möglich ist, setzt er aufgrund des bisherigen Besitzstands oder, wenn dieser nicht feststellbar ist, durch Teilung der strittigen Fläche oder schließlich nach Billigkeit die Grenze fest.[3]

Die Festlegung der Grenze durch das Gericht hat konstitutive (rechtsbegründende) Wirkung für die beteiligten Nachbarn und für Dritte (etwa Nießbraucher oder Pächter). Aufgrund des Urteils kann die Abmarkung nach § 919 BGB verlangt und eine Grundbuchberichtigung herbeigeführt werden.[4]

[1] Vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 13.10.2004, 4 U 68/04; BGH, Urteil v. 21.10.1964, V ZR 83/64, NJW 1965, 37.
[2] So BGH, Urteil v. 21.10.1964, V ZR 83/64, NJW 1965, 37; vgl. auch OLG Brandenburg, Urteil v. 13.10.2004, 4 U 68/04.
[3] Zur flächenmäßigen Aufteilung vgl. BGH, Urteil v. 14.2.1969, V ZR 130/65, MDR 1969, 469.
[4] Vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl. 2022, § 920, Rn. 3.

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