Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Beschlussweise einem einzelnen Eigentümer zugesprochene Rechte können diesem nicht nachträglich durch Beschluss wieder weggenommen werden
Normenkette
§ 21 Abs. 1, 3 WEG, § 23 Abs. 1, 4 WEG
Kommentar
Haben Eigentümer in nicht zulässiger Weise durch neuerlichen (angefochtenen) Beschluss in eine durch früheren Beschluss begründete Rechtsstellung des Antragstellers eingegriffen (hier: Genehmigung einer baulichen Veränderung - Dacheindeckung - und Übernahme grundsätzlicher Dachsanierungskosten durch die Gemeinschaft), ist dieser Beschluss für ungültig zu erklären, da die Versammlung damit in ein subjektiveres Recht des Antragstellers eingegriffen hat und der Beschluss über die ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und über die Zuständigkeit der Eigentümerversammlung hinausgeht. Das grds. Recht der Wohnungseigentümer, einmal gefasste Beschlüsse für die Zukunft auch wieder abzuändern, findet hier seine Grenze.
Ob der Beschluss wegen fehlender Zuständigkeit der Eigentümerversammlung sogar nichtig ist, mag zweifelhaft sein, mußte im vorliegenden Fall aber nicht entschieden werden.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 14.04.1988, BReg 2 Z 134/87)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung (allein zur offengebliebenen Frage der Beschlussnichtigkeit):
Ist eine Gemeinschaft an sich zuständig zur Beschlussfassung über die Genehmigung einer baulichen Veränderung und über eine Kostenzusage, so bleibt sie dies m. E. auch für etwaige aufhebende Beschlüsse, gleich aus welchem Grund. Mehrheitsbeschlüsse haben nach Bestandskraft die bekannte Bindungswirkung nach § 10 Absätze 3 und 4 WEG, also eine quasi dingliche Wirkung auch ohne Eintragung im Grundbuch (bezogen auf das Innenverhältnis unter den Eigentümern und das Verhältnis zu späteren Rechtsnachfolgern im Eigentum). Wird nun durch neuerlichen Beschluss in die Rechtsstellung eines, durch vorangegangenen Beschluss begünstigten, Eigentümers eingegriffen, ergibt sich m. E. die Möglichkeit sogar einer eventuellen Nichtigkeit des zweiten Beschlusses weniger aus fehlender Beschlusskompetenz der Gemeinschaft, als vielmehr einem Verbot, in wohl erworbene dingliche und vielleicht auch "quasi dingliche" Rechte eines Eigentümers einzugreifen, noch dazu dann, wenn der begünstigte Eigentümer im Vertrauen auf die Bestandskraft eines Beschlusses zu Recht vollendete Tatsachen geschaffen und vielleicht hohe Investitionen getätigt hat. Rechtsmissbräuchliches Verhalten (hier: gegen Treu und Glauben verstoßendes widersprüchliches Verhalten zu einem beschlossenen Vorverhalten) stellt zwar grundsätzlich ebenfalls nur einen Beschlussanfechtungsgrund dar, könnte in gravierenden Fällen allerdings sicher auch einmal zu einer Beschlussnichtigkeit führen.