Prof. Dr. Dimitrios Stamatiadis, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
1. Streitige Scheidung
Rz. 52
Die Ehescheidung unterliegt den speziellen Vorschriften für Ehesachen (Art. 592 ff. und 603 ff. gr. ZPO). Nach Art. 18 Nr. 1 gr. ZPO ist die Zivilkammer des Landgerichts sachlich zuständig. In zweiter Instanz sind die Oberlandesgerichte (Berufungsgerichte), in dritter Instanz für eine Revision der Areopag zuständig. Die örtliche Zuständigkeit wird in Art. 22 und 39 gr. ZPO geregelt. Nach diesen Vorschriften kann der Kläger die Scheidungsklage fakultativ entweder vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren letzen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, erheben. Die Ehegatten müssen sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, sog. Anwaltszwang (Art. 94 gr. ZPO). Für einen Geschäftsunfähigen handelt der gesetzliche Vertreter (Art. 64 gr. ZPO). Der Prozessbevollmächtigte bedarf einer besonderen auf das Eheverfahren gerichteten Vollmacht (Art. 98 gr. ZPO). Nach Art. 594 gr. ZPO ist ein minderjähriger Ehegatte wie auch einer, der sich unter richterlicher Vormundschaft befindet, prozessfähig.
Rz. 53
Die Scheidungsklage als Gestaltungsklage (Art. 71 gr. ZPO) muss gem. Art. 216 Abs. 1 gr. ZPO eine deutliche Darstellung aller Vorgänge enthalten, die das Scheidungsrecht begründen. Im Fall des vierjährigen Getrenntlebens des Art. 1439 Abs. 3 ZGB muss darüber hinaus der Beginn des Getrenntlebens deutlich gemacht werden; er muss mindestens vier Jahre vor der ersten Verhandlung und nicht vor der Klageerhebung liegen. In der Klageschrift sind alle Gründe darzustellen, die zur Ehezerrüttung geführt haben. Sie können sich auf die Person des Beklagten oder beide Ehegatten beziehen und müssen die Fortsetzung der ehelichen Beziehung für den Kläger unerträglich gemacht haben.
Rz. 54
Das Scheidungsverfahren kann nach Art. 610 gr. ZPO mit anderen Folgesachen bzw. Unterhalt verbunden werden (objektive und kumulative Klagehäufung). In diesem Fall soll grundsätzlich gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Trotz des Verbundes behält die Unterhaltspflicht im Rahmen des einheitlichen Verfahrens ihre Selbstständigkeit, so dass ihre Voraussetzungen gesondert zu prüfen sind und hierfür ein selbstständiges Endurteil als Teilurteil erlassen wird. Eine Widerklage ist nach Art. 591 Abs. 1 Nr. 7 gr. ZPO (neue Fassung in der Geltung seit 1.1.2016) nur durch besonderen Schriftsatz zulässig, der acht Tage vor der Verhandlung zugestellt werden muss.
Rz. 55
Bei der Anwendung der speziellen Vorschriften für Ehesachen (Art. 592–613 gr. ZPO) sind einige Abweichungen vom ordentlichen Verfahren zu beachten, insbesondere
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die freie Würdigung des Geständnisses (Art. 600 Abs. 1 gr. ZPO); |
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das Verbot der eidlichen Vernehmung der Parteien (Art. 601 Nr. 1 gr. ZPO); |
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das Verbot der Vernehmung der gemeinschaftlichen Kinder der Parteien als Zeugen (Art. 601 Nr. 2 gr. ZPO); |
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das Versäumnis des Beklagten gilt nicht als Geständnis (Art. 603 gr. ZPO); |
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ein gerichtlicher Versöhnungsversuch ist vorgesehen (Art. 602 gr. ZPO); |
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die Parteien können nach Erlass des Endurteils auf Rechtsmittel verzichten (Art. 606 gr. ZPO); |
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die Rechtskraft des Scheidungsurteils tritt ein, wenn es mit den Rechtsmitteln der Revision und der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht mehr angefochten werden kann (Art. 613 gr. ZPO). |
2. Einverständliche Scheidung
Rz. 56
Die einvernehmliche Scheidung erfolgt seit 2017 nach dem oben detailliert beschriebenen Verfahren vor dem Notar. Vor 2017 war die einvernehmliche Scheidung eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (siehe Vorauflage).