Leitsatz

Zwei miteinander verheiratete griechische Staatsangehörige stritten sich über den Aufenthalt ihrer beiden minderjährigen Kinder. Beide nahmen für sich in Anspruch, bis zu ihrer Trennung den Hauptteil der elterlichen Verantwortung getragen zu haben und die Erziehung und Betreuung der Kinder gewährleisten zu können. Beide Kinder lebten seit ihrer Geburt ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland. Nach Anhängigkeit des Sorgerechtsverfahrens betrieb der Ehemann im Laufe des Jahres 2003 in Griechenland ein Verfahren auf Scheidung der Ehe und auf Regelung der elterlichen Sorge.

 

Sachverhalt

Miteinander verheiratete Eltern zweier minderjähriger Kinder stritten sich über deren Aufenthalt. Beide Eltern war griechische Staatsangehörige muslimischen Glaubens, hatten am 14.6.1993 geheiratet und sich im März 2003 getrennt. Die Ehefrau lebte zunächst über einen Zeitraum von mehreren Wochen in einem Frauenhaus und bezog dann im April 2003 mit den Kindern eine eigene Wohnung.

Die Ehefrau begehrte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder auf sich. Nach Anhörung der Eltern und der Kinder und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder von einem inländischen FamG auf den Ehemann übertragen. Zugleich wurde der Umgang der Kinder mit ihrer Mutter geregelt.

Gegen diesen Beschluss legte die Ehefrau Beschwerde ein und begehrte weiterhin die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder auf sich.

Nach Anhängigkeit des Sorgerechtsverfahrens hatte der Ehemann im Laufe des Jahres 2003 in Griechenland ein Verfahren auf Scheidung der Ehe und auf Regelung der elterlichen Sorge betrieben. Am 4.8.2003 erging dort eine Entscheidung des Inquisitionsgerichts der Muftia O1 des Inhalts, dass die Ehe der Parteien für geschieden erklärt, dem Ehemann die Vormundschaft und elterliche Sorge für die Kinder übertragen und die Ausreise der Kinder aus Griechenland verboten wurde. Der Ehefrau wurde ein Besuchs- und Kommunikationsrecht erteilt, solange sie sich in Griechenland aufhielt.

Diese Entscheidung wurde durch eine Verfügung des LG Rodopi vom 4.9.2003 anerkannt und für vollstreckbar erklärt. Eine Anhörung der Kinder erfolgte weder durch das Inquisitionsgericht der Muftia in O1 noch durch das LG Rodopi.

Die Beschwerde der Ehefrau gegen die Entscheidung des inländischen FamG war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG Frankfurt änderte die Entscheidung des AG ab und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder auf die Mutter.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folge aus Art. 1 des MSA, da die Sache vor In-Kraft-Treten der EG-Verordnung 2201/2003 (sog. Brüssel IIa-Verordnung) anhängig geworden sei und die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten. Diese Zuständigkeit sei nicht durch das in Griechenland geführte Verfahren entfallen. Zwar wäre mit Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens vor einem zuständigen staatlichen ausländischen Gericht ein bis dahin isoliertes Sorgerechtsverfahren der EG-Verordnung 1347/2000 (sog. Brüssel II-Verordnung) unterfallen, wodurch für die Sorgerechtsregelung das Gericht des Scheidungsverfahrens zuständig geworden wäre (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.8.2003 - 18 UF 171/02 = FamRZ 2005, 287). Aufgrund der gemeinsamen griechischen Staatsangehörigkeit der Kindeseltern folge die internationale Zuständigkeit der griechischen Gerichte aus Art. 2 Abs. 1 lit. b) der EG-Verordnung 1347/2000.

Ein zwischen in Deutschland lebenden Muslimen griechischer Nationalität vor dem Mufti in Griechenland geführtes Scheidungsverfahren sei jedoch trotz der in Griechenland durch Art. 5 Abs. 2 des griechischen Gesetzes 1920/1991 anerkannten Gerichtsbarkeit des Mufti in Angelegenheit zwischen griechischen Muslimen bezüglich der Ehescheidung und der Vormundschaft kein staatliches Scheidungsverfahren i.S.d. EG-Verordnungen 1347/2000 und 2201/2003. Dies gelte auch dann, wenn die Entscheidung des Mufti vom zuständigen griechischen Gericht gem. Art. 5 Abs. 3 S. 2 des griechischen Gesetzes Nr. 1920/1991 für vollstreckbar erklärbar erklärt worden sei, da die Vollstreckbarerklärung keine inhaltliche Überprüfung der Mufti-Entscheidung beinhalte.

Darüber hinaus sei die Entscheidung des Inquisitionsgerichts zum Regelungsbereich der elterlichen Sorge nicht anerkennungsfähig, weil die Kinder nicht angehört worden seien. Die Anerkennungsfähigkeit einer Sorgerechtsentscheidung, die in einem vor In-Kraft-Treten der EG-Verordnung 2201/2003, aber nach In-Kraft-Treten der EG-Verordnung 1347/2000 anhängig gewordenen Verfahren ergangen sei, bestimme sich gem. Art. 64 Abs. 1 und Abs. 3 der EG-Verordnung 2201/2003 nach Maßgabe des Kapitels III der EG-Verordnung 2201/2003.

Abgesehen davon, dass es auch für die Frage der Anerkennungsfähigkeit darauf ankomme, dass es sich um eine Entscheidung oder Verfügung zuständiger staatlicher Gerichte oder Behörden handele, stehe auch Art. 23 lit. b) der Brüssel IIa-Verordnung der Anerk...

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