" … Vielmehr ist dem LG darin beizupflichten, dass die Bekl. aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Kfz-Versicherungsvertrags verpflichtet ist, der Kl. denjenigen Schaden zu ersetzen, der durch den streitgegenständlichen Unfall v. 19.4.2015 an dem Pkw M … entstanden ist. Der Anspruch folgt aus Ziff. A.2.3.2 und A.2.9.1 lit. b der maßgebenden AKB. Die nach Ziff. A.2.9.1 lit. b AKB zu bemessende Entschädigung beläuft sich unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung i.H.v. 500 EUR unstreitig auf 8.668,99 EUR."
Entgegen der Auffassung der Bekl. ist diese nicht gem. Ziff. D.1.4 S. 2 AKB i.V.m. D.3.1 S. 1 AKB von ihrer Pflicht zur Leistung befreit.
Gem. Ziff. D.1.4 S. 2 AKB darf der VN, der Halter oder der Eigentümer das versicherte Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzen lassen, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt. Leistungsfreiheit gem. Ziff. D.3.1 S. 1 AKB setzt voraus, dass die genannte Obliegenheit vorsätzlich verletzt wird. Eine derartige Gestaltung lässt sich – auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme – nicht feststellen.
Dabei kann offen bleiben, ob der Geschäftsführer der Kl., wovon das LG ausgegangen ist, den Schlüssel für den versicherten Pkw am Nachmittag des 18.4.2015 seinem Sohn G übergeben hat oder ob er ihn, wie er selbst und der Zeuge M vor dem Senat erklärt haben, dem Zeugen H ausgehändigt hat. In keinem Fall ist der Bekl. der Beweis gelungen, dass der Geschäftsführer der Kl. mit dem zur Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes notwendigen Vorsatz gehandelt hat. Dafür müsste er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass sein Sohn, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte, den versicherten Pkw selbst fahren würde (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28, Rn 188). Demgegenüber geht der Senat bei zusammenfassender Würdigung aller erhobenen Beweise davon aus, dass der Geschäftsführer der Kl., als er den versicherten Pkw aus seiner Obhut gab, in der Vorstellung gehandelt hat, der über eine Fahrerlaubnis verfügende Zeuge H werde das Fahrzeug durchgehend lenken. … (wird ausgeführt)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann dem Geschäftsführer der Kl. auch keine grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Ziff. D.3.1 S. 2 AKB vorgeworfen werden.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 81, Rn 30 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind in der vorliegenden Konstellation nicht erfüllt. Umstände, die es aus Sicht des Geschäftsführers der Kl. nahegelegt haben, dass sein Sohn G sich in dem Zeitraum vom 18. auf den 19.4.2015 selbst hinter das Lenkrad des versicherten Pkw setzen werde, sind nicht ersichtlich.
Ein solcher Rückschluss lässt sich insb. nicht aus der Tatsache ziehen, dass die StA O ausweislich des Urteils des AG B v. 25.8.2015 vor dem in Rede stehenden Unfall bereits zwei Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen G geführt hatte. Wie der Geschäftsführer der Kl. vor dem Senat erläutert hat, haben sich diese Verfahren jeweils auf die Benutzung eines Mofas bezogen. Dem ist die Bekl. nicht entgegengetreten. Im Übrigen erscheint die Darstellung des Geschäftsführers der Kl. nicht zuletzt deshalb plausibel, weil die StA in den betreffenden Verfahren jeweils gem. § 45 Abs. 1 JGG beziehungsweise § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen hat.
Sollte G in den besagten Fällen tatsächlich den Tatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Mofa verwirklicht haben, was zumindest bei einem Vorgehen nach § 45 Abs. 1 JGG keineswegs sicher feststeht, so wäre dies nach Auffassung des Senats kein Aspekt, der den Geschäftsführer der Kl. geradezu zwangsläufig zu der Erkenntnis hätte führen müssen, dass sein Sohn, begleitet von einem Bekannten mit Fahrerlaubnis, auch den versicherten Pkw selbst führen werde. Zwischen der Benutzung eines möglicherweise “frisierten‘ Mofas und dem Führen eines Pkw ohne die erforderliche Fahrerlaubnis besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied mit der Folge, dass für die Verwirklichung des zuletzt genannten Delikts i.d.R. eine deutlich höhere Hemmschwelle zu überwinden ist.
Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung gem. Ziff. D.1.4 AKB i.V.m. Ziff. D.3.1 AKB nicht gerechtfertigt. Die übrigen vom LG in Betracht gezogenen Ausschluss- beziehungsweise Kürzungstatbestände greifen ebenfalls nicht ein. Insoweit wird auf die überzeugenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Aspekte, die ihnen den Boden entziehen könnten, zeigt die Bekl. auch in der Berufungsbegründung nicht auf. … “
zfs 1/2018, S. 31 - 32