Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 3 Abs. 2 WEG, § 7 Abs. 4 WEG, § 18 GBO
Kommentar
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden:
Es ist nicht Aufgabe des Grundbuchamts, bei der Anlegung von Wohnungsgrundbüchern zu prüfen, ob die Baubehörde bei Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung die Erfüllung bautechnischer Anforderungen an die Wohnungstrenndecken und -wände überprüft und zutreffend bejaht hat.
Im vorliegenden Fall ging es erneut um die Problematik der Umwandlung eines älteren Wohn- und Geschäftshauses in Wohnungseigentum. Die Stadt München hatte Anfang 1989 die Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt. Nach Aufteilung bewilligten und beantragten die Eigentümer, die Teilung des Grundstücks im Grundbuch einzutragen (unter Beifügung des Aufteilungsplanes und der Abgeschlossenheitsbescheinigung). Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung unter Hinweis auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ( BayVGH, Urteil vom 8. 5. 1989, Az.: 2 B 87/01993) ab und forderte die Vorlage einer zusätzlichen Bescheinigung der Baubehörde, dass den Anforderungen dieses VGH-Urteils entsprochen sei (hilfsweise Beibringung eines Gutachtens eines öffentlich-bestellten Sachverständigen über die Anforderungen an die Wohnungstrenndecken und -wände).
Die Beschwerde gegen diese Zwischenverfügung des Grundbuchamts wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Der weiteren Beschwerde entsprach jedoch das BayObLG und betonte, dass im vorliegenden Fall kein Eintragungshindernis vorgelegen habe, was zu einer berechtigten Zwischenverfügung hätte Anlass geben können. Unter "Eintragungshindernisse" falle vor allem das Fehlen von Eintragungsvoraussetzungen oder Umstände, die zur Unrichtigkeit eines Grundbuchs führen würden. Ernsthafte, auf Tatsachen gegründete Zweifel würden insoweit ausreichen, wobei sich solche Zweifel auch auf Tatsachen und Erkenntnisquellen außerhalb des Grundbuchs stützen könnten. Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, das Grundbuch könne unrichtig werden, könne allerdings ein Eintragungshindernis nicht begründen.
Das Erfordernis der Abgeschlossenheit als Eintragungsvoraussetzung für die Begründung von Wohnungseigentum sei eine Vorschrift des materiellen Rechts, deren Fehlen nicht die Entstehung von Wohnungs- oder Teileigentum hindere. Für die Eintragung im Grundbuch reiche deshalb die Vorlage der gebotenen Abgeschlossenheitsbescheinigung aus. Ein Grundbuchamt sei an die von der Baubehörde erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung nur dann nicht gebunden, wenn sich aus den Eintragungsunterlagen eindeutig die Unrichtigkeit der Bescheinigung ergebe. Es sei nicht Aufgabe des Grundbuchamts in diesem Zusammenhang, allgemeinen Zweifeln an der Richtigkeit einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nachzugehen. Das Grundbuchamt wäre auch überfordert, bautechnische und bauordnungsrechtliche Fragen zu beurteilen. Über die behördliche Abgeschlossenheitsbescheinigung sollte dem Grundbuchamt gerade die Prüfung solcher Fragen erspart werden.
Die Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts beschränke sich deshalb auf erkennbare Widersprüche mit den zum Vollzug vorgelegten Eintragungsunterlagen, insbesondere mit dem Aufteilungsplan. Eine bestandskräftige Abgeschlossenheitsbescheinigung wieder zu beseitigen, wäre allein Sache der Baubehörde.
Aus dem Urteil des BayVGH ergebe sich i. Ü. nur, dass eine Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Baubehörde auch bei der Aufteilung von bestehenden Gebäuden in Wohnungseigentum nur dann erteilt werden dürfe, wenn bestimmte bautechnische Anforderungen an Wohnungstrenndecken und -wände erfüllt seien. Mit der Frage, ob bereits erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigungen möglicherweise unrichtig seien, habe sich diese Entscheidung des BayVGH nicht befasst. Eine möglicherweise bisher behördlich unterlassene Prüfung, ob die Wohnungstrenndecken und -wände den derzeitigen Anforderungen entsprächen, könne die hier vorliegend bescheinigte Abgeschlossenheit nicht widerlegen. Außerdem rechtfertige allein der Umstand, dass in früheren Jahren (Bauzeit des Gebäudes) geringere Anforderungen an den Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz von Wohnungstrenndecken und -wänden gestellt worden seien als heute, nicht den Schluss, dass den heutigen Anforderungen tatsächlich nicht genüge geleistet sei. Es bestehe kein Erfahrungssatz, dass zu allen Zeiten bei Neubauten immer nur die Mindestanforderungen des jeweiligen Baurechts eingehalten worden seien.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 23.11.1989, BReg 2 Z 108/89= BayObLG Z 89, Nr. 77 = NJW 4/1990, 212)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Die Entscheidung bedeutet, dass das Grundbuchamt an eine einmal erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung der Baubehörde grundsätzlich gebunden ist. Es besteht insoweit nur eine sehr eingeschränkte rechtliche Überprüfungsmöglichkeit. Liegt die Abgeschlossenheitsbescheinigung vor, hat das Grundbuchamt grundsätzlich eine Teilungserklärung auf Antrag hin auch zu vollziehen. Eine sehr begrüßenswerte, wichtige und klarstellende...