Sachverhalt
Bei dem polnischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Steuerbarkeit bestimmter Grundstückslieferungen. Streitig war, ob die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch einen Unternehmer auf den Fiskus (als Ausgleich für Steuerrückstände bei Steuern, die dem Staatshaushalt zugutekommen) oder auf eine Gemeinde, den Kreis oder die Woiwodschaft (als Ausgleich für Steuerrückstände bei Steuern, die deren Haushalten zugutekommen), was zum Erlöschen der Steuerschuld führt, einen steuerbaren Umsatz (Lieferung von Gegenständen) i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL darstellt.
Die Klägerin hatte aufgrund bestehender Rückstände bei den Wertzuwachsabgaben einer polnischen Gemeinde das Eigentum an einem unbebauten Grundstück als Ausgleich für diese Rückstände auf die Gemeinde übertragen. Nach dem Kaufvertrag erfolgte die Grundstücksübertragung, um dadurch die der Gemeinde zustehende Wertzuwachsabgabe teilweise zu begleichen, was zum teilweisen Erlöschen der Steuerschuld führte. Die Gemeinde hatte der Übertragung zugestimmt.
Nach Ansicht der Klägerin handelte es sich bei der Grundstücksübertragung nicht um einen umsatzsteuerbaren Vorgang, da die von ihr veranlasste Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf die Gebietskörperschaft als Ausgleich für Wertzuwachsabgabenrückstände (die als Steuerrückstände gelten) galt. Die polnische Finanzbehörde ging davon aus, dass die Gemeinde infolge der Übertragung des Grundstücks auf sie über dieses Grundstück wie ein Eigentümer verfüge und die Eigentumsübertragung entgeltlich erfolgt sei, da die Gesellschaft durch die Eigentumsübertragung ihre Steuerschuld (rückständige Wertzuwachsabgaben) gegenüber der Gemeinde verringert habe. Die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf die Gemeinde als Ausgleich für Steuerrückstände sei als eine steuerbare Lieferung von Gegenständen i. S. v Art. 7 Abs. 1 PL-MwStG anzusehen. Der Gesetzgeber habe die Übertragung des Eigentums an Sachen oder von Vermögensrechten auf die Gemeinde, den Kreis oder die Woiwodschaft als Ausgleich für Steuerrückstände bei Steuern, die deren Haushalten zugutekommen, nicht von der MwSt ausgeschlossen.
Entscheidung
Der EuGH hat (entgegen der Auffassung Polens und der EU-Kommission) entschieden, dass es im Ausgangsverfahren an einer Entgeltlichkeit der Grundstücksübertragung fehle. Die Zahlungsverpflichtung des Steuerpflichtigen als Schuldner einer Steuerforderung gegenüber der Steuerverwaltung ist nach dem Urteil einseitiger Natur, weil die Zahlung der Steuer durch den Steuerpflichtigen nur zum gesetzlichen Erlöschen der Forderung führt, auch wenn er seiner Zahlungsverpflichtung durch Hingabe eines Grundstücks an Zahlungs statt nachkommt. Eine Steuer führt nach dem EuGH-Urteil unabhängig davon, ob sie auf einen Geldbetrag oder auf einen körperlichen Gegenstand erhoben wird, zu keiner Leistung der öffentlichen Hand und folglich auch zu keiner Gegenleistung des Steuerpflichtigen. Folglich handele es sich nicht um ein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Daher könne die Hingabe eines Gegenstandes an Zahlungs statt, die zum Erlöschen einer Steuerschuld führt, nicht als entgeltlicher Umsatz i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL angesehen und nicht mit MwSt besteuert werden.
Hinsichtlich des im Ausgangsverfahren vorgenommenen Vorsteuerabzugs aus dem Erwerb des Grundstücks verweist der EuGH auf die Möglichkeit der Entnahmebesteuerung nach Art. 16 MwStSystRL bei der Übertragung des Grundstücks auf die öffentliche Hand.
Hinweis
Im vorliegenden Fall hätte es vor der Entscheidung des EuGH kaum Zweifel daran geben können, dass die Grundstücksübertragung ein steuerbarer Vorgang im Rahmen eines Leistungsaustausches war. Das Urteil ist deshalb erstaunlich, weil mit der Grundstückübertragung dem Fiskus ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wird, der der Umsatzbesteuerung unterliegen sollte. Da mit der Übertragung im Ausgangsfall die Steuerschuld erlosch, kann auch die Kausalität zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen werden. Der EuGH sieht dies anders und lässt die Steuerbarkeit derartiger Grundstücksübertragungen (das Urteil gilt aber wohl auch für Übertragungen beweglicher körperlicher Gegenstände) nur im Rahmen der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben gelten.
Das deutsche Recht ist von den Urteilsgrundsätzen nicht unmittelbar betroffen. Zum einen sind Grundstückslieferungen aufgrund der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (auf der Grundlage von Art. 371 i. V .m. Anhang X Teil B Nr. 9 MwStSystRL) steuerfrei, sofern nicht die Möglichkeit der Option nach § 9 UStG greift. Zum anderen sieht das deutsche Verfahrensrecht keine Übertragung von Gegenständen (oder Erbringung von Dienstleistungen) an den Fiskus zum Ausgleich von Steuerrückständen vor, sondern allenfalls Pfändungen und Zwangsversteigerungen an Dritte (dass Lieferungen durch den Schuldner im Rahmen von Zwangsversteigerungsverfahren grds. der MwSt unterliegen,...