Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 273 BGB
Kommentar
1. In Anlehnung an meine seinerzeit in ETW (Gruppe 2) empfohlene Beschlussfassung zum "Ausfrieren"und "Austrocknen"eines renitenten Wohngeldschuldners mit hoher, bisher nicht vollstreckbarer Säumnissumme hatte eine Gemeinschaft mehrheitlich (bestandskräftig) beschlossen:
"Die Wohnungseigentümer der WEG ... beschließen, dass aufgrund der derzeitigen Wohngeldsäumnis (titulierte und fällige Rückstände in Höhe von DM 28.000) bezogen auf die vom Schuldner derzeit selbst genutzte Eigentumswohnung Nr. ... die Verwaltung beauftragt wird, im Anschluss an bisher ergebnislos verlaufene Vollstreckungsversuche, die Wohnung Nr. ... des Schuldners ab sofort von der Heiz-, Warmwasser- sowie Kaltwasserversorgung durch Einbau entsprechend zu verplombender und wieder entfernbarer Sperrvorrichtungen durch ein fachtechnisches Unternehmen - befristet bis zum Ausgleich der Wohngeldrückstände - unter Hinweis auf § 273 BGB abzutrennen, im Falle rechtsgeschäftlicher Veräußerung der Einheit des Schuldners jedoch längstens bis zur Eigentumsumschreibung auf einen Nachfolger, im Falle einer Zwangsversteigerung bis zur Erteilung eines Zuschlages an einen Ersteher. Die Kosten für die erforderlichen Sperreinrichtungen werden aus der Instandhaltungsrücklage vorfinanziert und nachfolgend auf dem Schadenersatzwege ebenfalls gegen den Schuldner - notfalls gerichtlich - eingefordert. Der derzeitige Wohngeldrückstand übersteigt bei weitem die in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG erwähnte Schuldhöhe als Voraussetzung berechtigter Entziehungsbeschlussfassung. Sollte die Wohnung des Schuldners nur von dessen Sondereigentum aus mit Sperrvorrichtungen versehen werden können und sollte der Schuldner das Betreten der Wohnung durch eine Handwerksfirma zusammen mit Verwaltung und Hausmeister zum Zwecke der Installierung der Sperrvorrichtungen verweigern, beauftragt die Gemeinschaft die Verwaltung, unverzüglich das Betretungsgebot gerichtlich durch Einschaltung eines Anwalts und angemessene Antragstellung (Hauptsacheantrag und ggf. auch Anregung des Erlasses einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung) zu erzwingen. Abstimmungsergebnis: 39 Ja-Stimmen, 1 Stimmenthaltung, keine Nein-Stimmen"
Nach Ankündigung wurden die Sperrvorrichtungen dann eingebaut, die Versorgung der Schuldnerwohnung wurde unterbrochen.
Der Antragsteller dieses Verfahrens sah in dieser Maßnahme u.a. eine unzulässige "Selbstjustiz"; er erwähnte auch, dass er die Wohnung mit seinem 8-jährigen Sohn bewohne und daher dringend auf die Versorgung angewiesen sei.
2. Das LG wies den Antrag auf Beseitigung der Sperrvorrichtungen und Wiederherstellung der Versorgung (gestützt auf § 1004 BGB und § 823 BGB) zurück und erachtete den erfolgten Eingriff als gerechtfertigt. Rechtfertigungsgrund sei der bestandskräftig gewordene Beschluss, der damit auch Bindungswirkung entfalten habe. Ein Nichtigkeitsgrund (Gesetzesverstoß oder Sittenwidrigkeit gem. § 134 BGB oder § 138 BGB) sei nicht ersichtlich. Auch könne insoweit das Vorgehen der Gemeinschaft weder als verbotene Selbstjustiz noch gar als Nötigung oder Erpressung des Antragstellers im Sinne der § 240 StGB, § 253 StGB angesehen werden. Die Gemeinschaft habe vorliegend in zulässiger Weise ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht (bestätigt auch durch die Rechtsprechung des OLG Hamm und des OLG Celle [i.Ü. auch des BayObLG]).
Der Schuldner wurde auch im Anschluss an seine Antrags- bzw. Beschwerdezurückweisung in außergerichtliche Kostenerstattung verurteilt.
Link zur Entscheidung
( LG Essen, Beschluss vom 25.02.1999, 2 T 4/99- derzeit noch nicht rechtskräftig -, mitgeteilt von Verwaltungsfirma Buschmann GmbH in Marl)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Auf Grund vielfach geäußerter irriger Meinung darf ich auch nochmals betonen, dass sich eine Gemeinschaft grds. auch dann auf das Leistungs- bzw. Gegenleistungs-Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB in dieser Weise (siehe obig zitierten Eigentümerbeschluss) berufen kann, selbst wenn die Schuldner-Wohnung vermietet sein sollte und insoweit keine Nebenkosten mieterseits an die Gemeinschaft (in Erfüllung von Vermieterverpflichtungen) direkt vom Mieter an die Gemeinschaft bezahlt werden (bzw. z.B. auf Grund vorher erfolgter Abtretungen nicht bezahlt werden können). Ein Mieter hat nicht "mehr" Rechte als ein vermietender Wohnungseigentümer (gegenüber der Gemeinschaft); der evtl. nachteilig betroffene Mieter muss sich mit Gegenrechten hier unmittelbar an seinen Vertragspartner, also den Vermieter wenden (z.B. mit Ansprüchen auf Mietminderung oder Schadenersatz, evtl. sogar mit dem Recht auf fristlose MV-Kündigung). Diese Auffassung wurde auch wohnungseigentumsrechtlich von Obergerichten ausdrücklich bestätigt.