Leitsatz

Erneut: Versorgungssperre in Ausübung des Zurückbehaltungsrechts einer Gemeinschaft gegenüber einem zahlungssäumigen Eigentümer sowie Zutrittverschaffung zur Wohnung des Schuldners

 

Normenkette

§ 14 WEG; § 273 BGB

 

Kommentar

  1. Durch einen bestandskräftigen Eigentümerbeschluss (die Anfechtung hiergegen blieb ohne Erfolg, vgl. BayObLG v. 3.11.2004, 2Z BR 188/04), der die Verwaltung ermächtigt, wegen bestehender Wohngeldrückstände gegen einen Wohnungseigentümer im Wege des Zurückbehaltungsrechts ganz oder teilweise eine Versorgungssperre zu verhängen sowie diese Maßnahme einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen notfalls auch gerichtlich durchzusetzen, wird der Tatrichter (Amtsgericht/Landgericht), der über die Duldung des Wohnungszutritts zu entscheiden hat, nicht davon entbunden, Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts und zur Verhältnismäßigkeit der begehrten Maßnahme zu treffen.
  2. Die Gemeinschaft hatte insoweit in der EV v. 22.3.2004 beschlossen:

    "Die Verwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, angesichts der bestehenden Wohngeldrückstände und sonstigen Forderungen der Gemeinschaft in Abstimmung mit den Beratern des Verwalters gegen den betreffenden Eigentümer Herrn und Frau W. (Antragsgegner), hinsichtlich der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie der Belieferung der durch die Gemeinschaft (Wasser, Heizenergie) ganz oder teilweise das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB auszuüben und diese Maßnahmen einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen namens der Gemeinschaft, notfalls auch gerichtlich, unter Beauftragung eines fachkundigen Rechtsanwalts durchzusetzen."

    Die Anfechtung gegen diesen Beschluss blieb ohne Erfolg (BayObLG v. 3.11.2004, 2Z BR 188/04).

    Nunmehr beantragten die Antragsteller neuerlich von den Antragsgegnern die Duldung des Zutritts zu deren Wohnung, um dort durch die Hausverwaltung bzw. von dieser beauftragte Personen Absperrvorrichtungen für sämtliche Kaltwasser-, Warmwasser- und Heizungsleitungen anbringen zu können. Der Streit musste an das LG zurückverwiesen werden.

  3. Anders als in dem Beschluss des BayObLG v. 31.3.2004, 2Z BR 224/03 (NZM 2004, 556) entschiedenen Fall, in dem die Abtrennung der Versorgungsleitungen unmittelbar Gegenstand eines Eigentümerbeschlusses war, können die Antragsgegner hier nur dann zur Duldung des Betretens ihrer Wohnung und des Anbringens der beantragten Absperrvorrichtungen verpflichtet werden, wenn die in dem Eigentümerbeschluss der Versammlung vom 22.3.2004 unterstellten Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB tatsächlich gegeben sind. Voraussetzung hierfür ist das Feststehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtungen der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern. Der Ausschluss von Versorgungsleistungen muss ferner verhältnismäßig sein (vgl. Gaier, ZWE 2004, 109, 115; Kahlen, WE 2005, 30 und Hogenschurz, DWE 2004, 124, 127).

    Stellt sich im weiteren Verlauf des Verfahrens die Rechtmäßigkeit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch die Gemeinschaft heraus, ist auch davon auszugehen, dass sich die Rechtsbeeinträchtigung der Antragsgegner im Rahmen von § 14 WEG hält. Dann sind die Antragsgegner analog § 14 Nr. 4 WEG verpflichtet, auch das Betreten ihrer Wohnung zum Zweck des Absperrens der Versorgungsleitungen zu dulden (vgl. auch Staudinger/Bub, § 28 Rn. 146). Unzumutbare Härten für die Antragsgegner sind dann nicht mehr anzunehmen. Insbesondere spricht derzeit auch nichts dafür, dass die jederzeit wieder rückgängig zu machende Absperrung der Leitungen die anstehende Zwangsversteigerung und den hierbei zu erwartenden Erlös maßgeblich beeinflussen dürfte. Sondereigentum (z.B. Fliesen) darf jedoch im Rahmen einer solchen Aktion nicht beschädigt werden.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 23.02.2005, 34 Wx 005/05OLG München v. 23.2.2005, 34 Wx 005/05, ZMR 4/2005, 311

Anmerkung

Ausgehend vom Beschlussgegenstand des zitierten bestandskräftigen Beschlusses und dem hier nachfolgend gestellten Antrag auf Zutrittsduldung mit eigenständigem Antragsgegenstand erscheint die Argumentation des Senats zutreffend, wenn hier in tatsächlicher Hinsicht noch die konkreten Voraussetzungen für die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts und das Betreten der Wohnung tatrichterlich festgestellt werden müssten. Trotz Gültigkeit des grundsätzlichen, in Bestandskraft erwachsenen Vollmachtsbeschlusses in der EV vom 22.3.2004 müssen sozusagen im Nachverfahren die Voraussetzungen einer solchen Versorgungssperre im Sinne der herrschenden wohnungseigentumsrechtlichen Meinung geklärt werden. Bei der Formulierung solcher Beschlussanträge sollten deshalb in Zukunft Abtrennungen und der Hinweis auf (m.E. titulierte) Wohngeldrückstände in entsprechender Höhe, erfolglos versuchte Vollstreckungen und Gebote der Verhältnismäßigkeit sogleich konkret (mit)beschlossen werden. Bei Zurückweisung...

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