Leitsatz (amtlich)
Durch einen bestandskräftigen Eigentümerbeschluss, der die Verwaltung ermächtigt, wegen bestehender Wohngeldrückstände gegen einen Wohnungseigentümer im Wege des Zurückbehaltungsrechts ganz oder teilweise eine Versorgungssperre zu verhängen und diese Maßnahme einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen notfalls auch gerichtlich durchzusetzen, wird der Tatrichter, der über die Duldung des Wohnungszutritts zu entscheiden hat, nicht davon entbunden, Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts und zur Verhältnismäßigkeit der begehrten Maßnahmen zu treffen.
Normenkette
BGB § 273; WEG § 14
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 15.12.2004; Aktenzeichen 1 T 17175/04) |
AG München (Aktenzeichen 483 UR II 667/04) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG München I v. 15.12.2004 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG München I zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern gehört eine Wohnung, die nicht vermietet ist.
Am 22.3.2004 wurde in der Eigentümerversammlung unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5.2.2 mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:
Die Verwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, angesichts der bestehenden Wohngeldrückstände und sonstigen Forderungen der Gemeinschaft in Abstimmung mit den Beratern des Verwalters gegen den betreffenden Eigentümer, Herrn und Frau W. (die Antragsgegner), hinsichtlich der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie der Belieferung durch die Gemeinschaft (Wasser, Heizenergie, Nutzung von gemeinschaftlichen Stromleitungen etc.) ganz oder teilweise das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB auszuüben und diese Maßnahmen einschließlich eines Betretens der Wohnung zur Vorbereitung und Anbringung von Absperrvorrichtungen namens der Gemeinschaft, notfalls auch gerichtlich, unter Beauftragung eines fachkundigen Rechtsanwalts durchzusetzen.
Die Antragsgegner haben diesen Beschluss angefochten. Der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses blieb jedoch ohne Erfolg (BayObLG, Beschl. v. 3.11.2004 - 2Z BR 188/04). Im Laufe dieses Verfahrens hatten die Antragsteller erklärt, auf die Durchsetzung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich der Nutzung der gemeinschaftlichen Stromleitungen verzichten zu wollen.
Die Antragsteller verlangen nun von den Antragsgegnern die Duldung des Zutritts zu deren Wohnung, um dort durch die Hausverwaltung bzw. von dieser beauftragte Personen Absperrvorrichtungen für sämtliche Kaltwasser-, Warmwasser- und Heizungszuleitungen anbringen zu können.
Das AG hat am 19.8.2004 dem Antrag stattgegeben und für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Durch Beschluss v. 15.12.2004 hat das LG die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das LG.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Antragsgegner seien auf Grund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses v. 22.3.2004 zur Duldung der beantragten Maßnahmen verpflichtet. Diese dienten der Ausübung des den Wohnungseigentümern zustehenden Zurückbehaltungsrechts.
2. Die Ausführungen des LG halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das LG geht rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Antragsgegner allein auf der Grundlage des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses v. 22.3.2004 zur Duldung der beantragten Maßnahmen verpflichtet seien.
Ein Eigentümerbeschluss ist aus sich heraus, objektiv und normativ auszulegen. Maßgebend ist hierbei die nächstliegende Bedeutung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter darstellt. Die Auslegung kann das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die des LG selbständig vornehmen (st. Rspr.; BayObLG ZMR 2004, 606). Nächstliegende Bedeutung des Eigentümerbeschlusses v. 22.3.2004 ist es, den Verwalter zur Ausübung und Durchsetzung des den Antragstellern ggü. den Antragsgegnern nach Auffassung der Wohnungseigentümer zustehenden Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB zu ermächtigen. Dies gilt aber nicht unabhängig vom tatsächlichen Bestehen eines solchen Rechts. Anders als in dem vom BayObLG im Beschluss v. 31.3.2004 (BayObLG v. 31.3.2004 - 2Z BR 224/03, NZM 2004, 556) entschiedenen Fall, in dem die Abtrennung der Versorgungsleitungen unmittelbar Gegenstand eines Eigentümerbeschlusses war, können die Antragsgegner hier nur dann zur Duldung des Betretens ihrer Wohnung und des Anbringens der beantragten Absperrvorrichtungen verpflichtet werden, wenn die in dem Eigentümerbeschluss v. 22.3.2004 lediglich unterstellten ...