Das Wichtigste in Kürze:

1. Wurde gegen den Bußgeldbescheid ein zulässiger Einspruch eingelegt, bestimmt das Gericht i.d.R. einen Termin zur HV.
2. Das Gericht kann dem Betroffenen zur Vorbereitung der HV Gelegenheit zur Äußerung geben.
3. Betroffener und Verteidiger müssen vom Gericht zur HV geladen werden.
4. Im OWi-Verfahren gelten gem. §§ 71 ff. teilweise von §§ 226 ff. StPO abweichende Anwesenheitsregelungen.
5. Gegenstand der HV ist der im Bußgeldbescheid enthaltene Tatvorwurf. Verändert sich innerhalb des Verfahrens der rechtliche Gesichtspunkt, so muss das Gericht einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 erteilen.
 

Rdn 2372

 

Literaturhinweise:

Hunsmann, Die Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen im Strafverfahren, StRR 2014, 324

Krumm, Rechtlicher Hinweis im OWi-Verfahren, SVR 2011, 58

Mitsch, Die Pflicht ausländischer "Verkehrssünder" zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung vor einem deutschen Straf- oder Bußgeldgericht, ZIS 2011, 502

s. auch die Hinw. bei den entsprechenden Stichwörtern in Burhoff, HV.

 

Rdn 2373

1. Wurde gegen den Bußgeldbescheid (→ Bußgeldbescheid, Allgemeines, Rdn 630) ein zulässiger Einspruch (→ Einspruch, Allgemeines, Rdn 909) eingelegt, so bestimmt das nach § 68 zuständige Gericht i.d.R. einen Termin zur HV (zur Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, → Beschlussverfahren, Rdn 437). Gem. § 71 Abs. 1 richtet sich das gerichtliche Verfahren grds. nach den Vorschriften, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten. Damit kommen zunächst die §§ 411, 412 StPO zur Anwendung. Über die allgemeine Verweisungsvorschrift des § 46 Abs. 1 gelten für die HV aber auch die übrigen Vorschriften der StPO und des GVG. Im OWi-Verfahren sind jedoch die sich aus den §§ 71 ff. ergebenen Modifikationen zu beachten.

 

Rdn 2374

2. Das Gericht kann zur Vorbereitung der HV dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer Frist (meist 1–2 Wochen) dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er zu seiner Entlastung vorbringen will (§ 71 Abs. 2 S. 2).

 

☆ Der Verteidiger muss von Fall zu Fall entscheiden, ob er einer solchen Aufforderung Folge leistet. Dabei ist zu beachten, dass bei Nichtbefolgung u.U. Nachteile drohen : Das Gericht könnte (später in der HV) bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 2 einen Beweisantrag als verspätet zurückweisen (→ Hauptverhandlung, Beweisantrag, Ablehnung , Rdn 2438 ) oder davon absehen, der Staatskasse die Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen (§ 109a Abs. 2).Nichtbefolgung u.U. Nachteile drohen: Das Gericht könnte (später in der HV) bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 2 einen Beweisantrag als verspätet zurückweisen (→ Hauptverhandlung, Beweisantrag, Ablehnung, Rdn 2438) oder davon absehen, der Staatskasse die Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen (§ 109a Abs. 2).

 

Rdn 2375

3. Das Gericht muss den Betroffenen und seinen Verteidiger zur HV laden (dazu allgemein Burhoff, HV, Rn 2186 ff. [Ladung des Angeklagten] und Rn 2198 ff. [Ladung des Verteidigers]). Dabei hat es die Ladungsfrist von 1 Woche zu beachten (§ 217 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1; zur Namhaftmachung von Beweismitteln OLG Hamm, Beschl. v. 4.4.2017 – 4 RBs 97/17). Bei Nichteinhaltung dieser Frist kann der Betroffene bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache (→ Hauptverhandlung, Gang der Hauptverhandlung, Rdn 2502) einen Antrag auf Aussetzung der HV stellen (§ 217 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1). Gleiches steht dem Verteidiger zu, falls er unter Nichteinhaltung der Frist geladen wurde, obwohl er dem Gericht seine Wahl so rechtzeitig angezeigt hat, dass er unter Beachtung der Ladungsfrist hätte geladen werden können (vgl. Burhoff, a.a.O.). Die StA muss vom Termin unterrichtet werden, wenn sie nicht ausdrücklich auf Terminsnachricht verzichtet hat (KG VRS 109, 125; → Hauptverhandlung, Teilnahme der Staatsanwaltschaft, Rdn 2530).

 

Rdn 2376

4. Die Anwesenheit der Beteiligten ist in den §§ 71 ff. teilweise abweichend von den §§ 226 ff. StPO geregelt.

 

Rdn 2377

a) Für die Anwesenheitspflicht gilt allgemein (zum Betroffenen Rdn 2379):

Der Amtsrichter kann gem. § 226 Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 von der Zuziehung eines Urkundsbeamten als Protokollführer absehen. Die nach § 226 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 unanfechtbare Entscheidung des Richters muss nicht unbedingt als förmlicher Beschluss ergehen, sondern kann auch stillschweigend dadurch getroffen werden, dass der Richter ohne Urkundsbeamten erscheint und das Protokoll selbst führt (BayObLG NStZ-RR 2002, 16; Göhler/Seitz/Bauer, § 78 Rn 2a).
Zur Anwesenheit der StA → Hauptverhandlung, Teilnahme der Staatsanwaltschaft, Rdn 2530.
Der Vertreter der Verwaltungsbehörde hat nach § 76 Abs. 1 S. 4 das Recht zur Äußerung und damit auch zur Anwesenheit in der HV (Göhler/Seitz/Bauer, § 76 Rn 15). § 76 Abs. 2 sieht jedoch die Möglichkeit vor, von der Beteiligung abzusehen. Von dieser Möglichkeit wird bei Verkehrsordnungswidrigke...

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