Leitsatz
Hintergrund
Der Geschäftsführer ist nach § 64 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die er nach Insolvenzreife geleistet hat, soweit diese Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Jegliche Zahlungen, für die die Gesellschaft keinen vollwertigen Gegenanspruch erhält oder die nicht zur Verhinderung des sofortigen Zusammenbruchs der Gesellschaft erforderlich sind, hat der Geschäftsführer der Gesellschaft damit aus seinem Privatvermögen zu ersetzen.
Bei der Beurteilung, inwieweit Zahlungen an die Sozialversicherung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind, ist zwischen den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung zu unterscheiden. Hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge dürfen die Sozialversicherungsträger nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (Vgl. Kommentierung zu BGH, Urteil v. 8.6.2009, II ZR 147/08) nicht den anderen Gläubigern vorgezogen werden, sodass Zahlungen der Arbeitgeberbeiträge nach Insolvenzreife grundsätzlich sorgfaltswidrig sind und einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auslösen. Durch die Nichtzahlung der Arbeitnehmerbeiträge kann sich der Geschäftsführer dagegen sogar wegen Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt strafbar machen (§ 266a StGB).
BGH-Beschluss:
Darüber hinaus bestehen, wie der BGH mit seinem Beschluss vom 18.1.2010 nochmals bestätigt hat, Schadensersatzansprüche der Einzugsstelle gegen den Geschäftsführer, wenn er bei Insolvenzreife die Arbeitnehmerbeiträge nicht abgeführt, stattdessen aber an andere Gesellschaftsgläubiger Leistungen erbracht hat, die nicht durch einen vollwertigen Gegenanspruch gedeckt oder nicht unbedingt notwendig waren.
Hinweis
Geschäftsführer einer Gesellschaft in finanziellen Nöten sind wahrlich nicht zu beneiden: Wollen sie sich nicht einem persönlichen Haftungsrisiko aussetzen, dürfen sie grundsätzlich nur dann Zahlungen vornehmen, die zum unmittelbaren Fortbestand der Gesellschaft erforderlich oder von einem vollwertigen Gegenanspruch gedeckt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung: Führen die Geschäftsführer diese nicht ab, machen sie sich unter Umständen gegenüber der Einzugsstelle schadensersatzpflichtig. Zahlen sie hingegen auch Arbeitgeberbeiträge an die Einzugsstelle, so machen sie sich wiederum der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig. Letztlich kann einem Geschäftsführer daher nur geraten werden, im Falle drohender finanzieller Schwierigkeiten der Gesellschaft frühzeitig qualifizierten Rat einzuholen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 18.01.2010, II ZA 4/09