Leitsatz
GmbH-Geschäftsführer haben unverzüglich - spätestens jedoch 3 Wochen - nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH Insolvenzantrag zu stellen. Insolvenzreife ist bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (bis Ende 2013 aber nur bei negativer Fortführungsprognose) gegeben.
Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife hat er dem Insolvenzverwalter grundsätzlich zurückzuerstatten (§ 64 Satz 1 GmbHG = § 64 Abs. 2 GmbHG a.F.). Ausnahmen gelten für:
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung;
Lohnsteuer;
(in bestimmten Konstellationen) Treuhandgelder;
Zahlungen, für die vollwertige Gegenleistungen zur Masse gelangt sind;
Zahlungen, die zur Vermeidung des sofortigen und unkontrollierten Zusammenbruchs der Gesellschaft notwendig sind.
Der BGH hat nun eine weitere Ausnahme dem Katalog hinzugefügt: Für Zahlungen von einem debitorischen Konto haftet der Geschäftsführer nicht, wenn die Bank für den sich ausweitenden Negativsaldo nicht über Sicherheiten zulasten der Gesellschaft verfügt. Denn dann erfolgt die Überweisung letztendlich zulasten der Bank (deren offene, unbesicherte Forderungen sich ausweiten) und zulasten der Masse, die allein von § 64 Satz 1 GmbHG geschützt wird.
Hinweis
Eine Haftung können GmbH-Geschäftsführer nur sicher vermeiden, wenn sie rechtzeitig Insolvenzantrag stellen. Wann dies ist, können sie häufig schon kaum bestimmen, ohne einen Wirtschaftsprüfer hinzuziehen zu müssen (womit sie ihrer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung allerdings auch genügen, wenn diesem alle Informationen zur Verfügung gestellt werden).
Kein Geschäftsführer wird einen solchen Schritt leichtfertig unternehmen, ist er doch zum einen den Gesellschaftern und der Gesellschaft gegenüber verpflichtet und es wird häufig massiver Druck auf den / die Geschäftsführer ausgeübt, mit dem Insolvenzantrag noch zuzuwarten. Die gesetzlich zulässige Frist sind maximal 3 Wochen, innerhalb derer Sanierungsbemühungen erfolgreich abgeschlossen werden müssen.
Doch schon in dieser 3-Wochen-Frist steckt der Geschäftsführer in einem Dilemma. Kommt die bis zuletzt angestrebte Sanierung nicht zustande, haftet er auch für in der 3-Wochen-Frist erbrachte Zahlungen (da ja Insolvenzreife eingetreten ist), soweit nicht ausnahmsweise die Zahlungen zulässig sind. Soweit die Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und der Erhaltung der Sanierungsmöglichkeit absolut notwendig waren, wird man dies bejahen müssen - welche dies bei mehreren hundert oder tausend Einzelpositionen sind, wird nachträglich durch ein Gericht bestimmt, wenn der Insolvenzverwalter klagt.
Hinzu kommt, dass die immer weiter differenzierende Rechtsprechung für Geschäftsführer kaum noch durchschaubar ist. Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und Lohnsteuer kann er nicht nur abführen, sondern muss dies angesichts der Straf- und Schadensersatzdrohung bei unterbliebener Zahlung faktisch tun. Allerdings dürfen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht gezahlt werden bzw. haftet der Geschäftsführer hierfür, falls doch noch ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird. Und er muss selbstverständlich sicherstellen, dass die Überweisung an die Sozialversicherung nicht nur den richtigen Betrag ausweist, sondern auch noch die Zahlungsbestimmung "Arbeitnehmerbeitrag" - anderenfalls wird die Hälfte des Zahlbetrags auf den Arbeitgeberbeitrag angerechnet und der Geschäftsführer haftet doch noch.
Diese Voraussetzungen wird in einer hektischen, von Sanierungsbemühungen geprägten Situation kaum ein Geschäftsführer einhalten können. In der Praxis hilft wohl nur eine gute D&O-Versicherung und die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 25.01.2010, II ZR 258/08