Zusammenfassung
Die Gesellschaft kann den Geschäftsführer einer GmbH trotz Entlastung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn die Tatsachen und Umstände, auf denen die Haftung beruht, für die Gesellschafter bei Rechnungslegung des Geschäftsführers vor Erteilung der Entlastung nicht erkennbar waren.
Persönliche Haftung des Geschäftsführers: Pflichten und Sorgfaltsmaßstab
Ein Geschäftsführer haftet der Gesellschaft persönlich, soweit er seine Pflichten fahrlässig oder vorsätzlich verletzt und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht. Maßstab für eine Pflichtverletzung ist stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss entlastet wurde. Soweit Entlastung erteilt wurde, kann die Gesellschaft im Umfang der Entlastung keine Ansprüche mehr gegen den Geschäftsführer geltend machen (sog. Präklusionswirkung). Entscheidend für den Umfang der Haftung des Geschäftsführers ist daher der Umfang seiner Entlastung.
Zeitliche Reichweite der Entlastung des Geschäftsführers
Zeitlich umfasst die Entlastung den Zeitraum, der sich aus dem Entlastungsbeschluss ergibt und hinsichtlich derer der Geschäftsführer Rechnung gelegt hat. Das betrifft grundsätzlich ohne weitere Angaben die Vorgänge aus dem abgeschlossenen Geschäftsjahr. Die Entlastung befreit den Geschäftsführer aber nicht von seinen bestehenden, zukunfts- und gegenwartsbezogenen Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn neue Nachteile wegen eines für die Vergangenheit von der Entlastung erfassten Vorgangs drohen.
Inhaltliche Grenzen der Entlastung und Erkennbarkeit von Tatsachen
Inhaltlich bezieht sich die Entlastung auf alle Tatsachen, die die Gesellschafter aufgrund der Berichterstattung durch den Geschäftsführer oder aus den vorgelegten Unterlagen kannten oder bei sorgfältiger Prüfung hätten erkennen können. Für die Erkennbarkeit ist entscheidend, ob sich aus der Berichterstattung des Geschäftsführers oder den Unterlagen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel oder Fragen ergeben, die die Gesellschafter durch Nachrechnen, Nachfragen oder durch Ausüben ihres Informationsrechts hätten aufklären können. Eine Erkennbarkeit ist demgegenüber ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern nicht hinreichend Gelegenheit zur Ausübung ihrer Einsichts-, Informations- und Auskunftsrechten gegeben hat – sei es absichtlich oder unabsichtlich. Vereitelt der Geschäftsführer Nachfragen der Gesellschafter, verschweigt er Tatsachen oder verschleiert diese, ist er nicht schutzbedürftig. Denn durch solche Maßnahmen erschleicht sich der Geschäftsführer seine Entlastung. Eine derart erschlichene Entlastung führt regelmäßig nicht zu einem Haftungsausschluss zu seinen Gunsten.
Mit Fragen rund um die Haftung und Entlastung hat sich jüngst das OLG Brandenburg beschäftigt.
Hintergrund der Entscheidung (vereinfacht dargestellt)
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH eigenmächtig über Jahre hinweg zusätzlich zu seinem Gehalt und seiner Tantieme diverse Zahlungen an sich selbst veranlasst, um sein Geschäftsführergehalt zu erhöhen. Die Gesellschafterversammlung stellte in all den Jahren die Jahresabschlüsse fest und erteilte dem Gesellschafter-Geschäftsführer – mit Ausnahme der letzten 2 Jahre seiner Organstellung – Entlastung. Ob die Zahlungen in den Bilanzen der Jahresabschlüsse erkennbar waren, blieb zwischen den Parteien streitig.
Nach Abberufung und außerordentlicher Kündigung beschloss die Gesellschafterversammlung, den (ehemaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer persönlich auf Rückzahlung in Anspruch zu nehmen. Dieser berief sich darauf, dass sein im Anstellungsvertrag vereinbartes Gehalt unangemessen niedrig und deshalb nichtig gewesen sei. Durch die zusätzlichen Zahlungen habe er insgesamt ein Gehalt bezogen, das dem Wert seiner Leistungen entsprochen habe. Deshalb sei der Gesellschaft kein Schaden entstanden. Des Weiteren sei seine Haftung aufgrund der ihm erteilten Entlastungen ausgeschlossen. Entsprechendes gelte für die letzten 2 Jahre seiner Organstellung als Geschäftsführer aufgrund der Billigung bzw. Feststellung der Jahresabschlüsse, in denen die Zahlungen jeweils erkennbar waren.
Das OLG Brandenburg gab dem Gesellschafter-Geschäftsführer teilweise Recht:
Die eigenmächtigen Veranlassungen der Zahlungen sind zwar jeweils als Pflichtverletzung des Gesellschafter-Geschäftsführers einzustufen. Denn über die Höhe des Gehalts eines Geschäftsführers entscheidet allein die Gesellschafterversammlung. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht berechtigt, seine Bezüge einseitig anzupassen, selbst wenn sein Gehalt objektiv betrachtet als unangemessen niedrig einzustufen ist.
Ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft besteht jedoch nicht mehr für die Jahre, für die dem Gesellschafter-Geschäftsführer Entlastung erteilt wurde. Denn inhaltlich sind von der Entlastung alle Geschäftsvorgänge erfasst, die für d...