Entlastungswirkung durch Feststellung des Jahresabschlusses
Jeder Geschäftsführer einer GmbH ist Haftungsrisiken ausgesetzt, die auch sein Privatvermögen berühren können. Vor diesem Hintergrund sind Vereinbarungen über eine Haftungsbeschränkungen und die Entlastung durch die Gesellschafterversammlung von großer praktischer Bedeutung. Mit der Entlastung des Geschäftsführers billigt die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung. Folge der Entlastung ist, dass die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer keine Ansprüche mehr geltend machen kann, die für die Gesellschafter anhand der Berichterstattung des Geschäftsführers und der vorgelegten Unterlagen erkennbar waren.
Fraglich ist, ob für diese "Entlastungswirkung" ein ausdrücklicher Entlastungsbeschluss erforderlich ist, oder ob dafür bereits die Feststellung des Jahresabschlusses ausreicht. Mit dieser Frage hatte sich jüngst das OLG Brandenburg zu beschäftigen.
Hintergrund
In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über Jahre hinweg eigenmächtig eine Geschäftsführervergütung ausbezahlt, die nicht den Vereinbarungen entsprach, sondern deutlich darüber lag. Die erhöhte Vergütung war in den Bilanzen der Jahresabschlüsse aufgeführt und damit für alle Gesellschafter erkennbar. Die Gesellschafterversammlung stellte in all den Jahren die Jahresabschlüsse fest und erteilte dem Gesellschafter-Geschäftsführer zunächst auch Entlastung. Nachdem einige Gesellschafter Kenntnis von den erhöhten Zahlungen erlangt hatten, nahm die Gesellschaft den Gesellschafter-Geschäftsführer persönlich auf Rückzahlung der überhöhten Vergütung in Anspruch. Der Gesellschafter-Geschäftsführer verteidigte sich damit, dass ihm Entlastung erteilt worden sei; zudem habe die Gesellschaft durch Feststellung der Jahresabschlüsse die Höhe der ausbezahlten Vergütung anerkannt. Dies wirke für ihn als Mitgesellschafter wie eine Art "Entlastung". Ein Schadenersatzanspruch sei vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.
Das OLG Brandenburg gab dem Gesellschafter-Geschäftsführer nur teilweise Recht:
Ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft für die Jahre, für die dem Gesellschafter-Geschäftsführer Entlastung erteilt worden war, wurde abgelehnt. Denn die Vergütung war in den Bilanzen jeweils aufgeführt und für die übrigen Gesellschafter erkennbar.
Die bloße Feststellung des Jahresabschlusses führte jedoch nicht zu einem Haftungsausschluss. Zwar war die erhöhte Vergütung in den Bilanzen der festgestellten Jahresabschlüsse für alle Gesellschafter erkennbar. Die Feststellung des Jahresabschlusses entfaltete dennoch keine entlastende Wirkung dergestalt, dass die erhöhte Vergütung von allen Gesellschaftern anerkannt würde und nicht zurückgefordert werden könne, weil es sich bei der relevanten Tätigkeitsvergütung als Geschäftsführer um eine sog. Drittverbindlichkeit handelte.
Die Feststellung des Jahresabschlusses hat im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und zwischen den Gesellschaftern untereinander die Bedeutung einer Verbindlicherklärung. Die Gesellschafter erkennen die Richtigkeit des Jahresabschlusses an; bekannte oder mindestens für möglich gehaltene Einwendungen, sind nach der Feststellung des Jahresabschlusses ausgeschlossen. Dies gilt uneingeschränkt für gesellschaftsinterne Ansprüche und Forderungen. Anders ist die Lage bei Drittverbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten, die ihren Ursprung nicht im internen Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern haben. Bei Drittverbindlichkeiten ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Höhe der Verbindlichkeit, die aus der Bilanz ersichtlich ist, von den Gesellschaftern geprüft und als angemessen eingestuft worden ist. Eine derartige Entlastungswirkung durch Feststellung des Jahresabschlusses bzgl. Drittverbindlichkeiten kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, bspw. wenn die Parteien es vereinbaren oder wenn allen Beteiligten bewusst ist, dass Uneinigkeit besteht. Dies gilt auch für die streitgegenständliche Geschäftsführer-Vergütung; sie beruht nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern auf einem separaten Anstellungsvertrag.
Im vorliegenden Fall hatten die Feststellungsbeschlüsse keine "Entlastungswirkung", weil die Gesellschafter bei Feststellung der Jahresabschlüsse noch keine Kenntnis von der eigenmächtig erhöhten Geschäftsführervergütung hatten. Eine Billigung erfordert naturgemäß jedoch, dass den Gesellschaftern die Umstände bekannt gewesen sind, oder dass sie diese jedenfalls für möglich gehalten haben.
Anmerkungen und Praxistipp
Vorsicht ist besser als Nachsicht: die Entlastung des Geschäftsführers sollte nur ausgesprochen werden, wenn keine begründeten Zweifel an der Geschäftsführung bestehen. Denn die Entlastung schließt die Geltendmachung etwaiger Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer im Umfang der Entlastung regelmäßig vollständig aus. Inhaltlich bezieht sich der Haftungsausschluss auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter aufgrund der Berichterstattung durch den Geschäftsführer oder aus den vorgelegten Unterlagen bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren. Erfasst sind damit alle Umstände, die die Gesellschafter beispielsweise durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten.
Auch der Jahresabschluss sollte nicht vorschnell festgestellt werden, sondern erst dann, wenn Fragen, Zweifel und Unstimmigkeiten, ggfs. unter Hinzuziehung fachlicher Unterstützung, geklärt und ausgeräumt werden konnten. Besondere Vorsicht ist bei gesellschaftsinternen Forderungen und Verbindlichkeiten angebracht. Diese Forderungen und Verbindlichkeiten werden mit dem Jahresabschluss regelmäßig verbindlich festgestellt, sodass spätere Nachzahlungs- oder Rückforderungsansprüche ausgeschlossen sind.
(OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2022, 7 U 133/2)
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