Leitsatz

Der Mieter ist im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für das schuldhafte Verhalten eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB verantwortlich; die ordentliche Kündigung des Vermieters wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverletzung setzt nicht ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Mieters voraus.

Ein Mieterschutzverein, der den Mieter bei der Entscheidung darüber berät, ob er von einem Zurückbehaltungsrecht an der Miete Gebrauch machen soll, ist Erfüllungsgehilfe des Mieters bei der Erfüllung der Verpflichtung zur Entrichtung der Miete. (amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 573

 

Kommentar

Nach den Vereinbarungen im Mietvertrag hatte der Mieter eine monatliche Grundmiete von ca. 420 EUR und eine Betriebskostenvorauszahlung von ca. 157 EUR zu zahlen. Nachdem der Mieter die Betriebskostenabrechnung erhalten hatte, suchte er die Geschäftsstelle eines Mieterschutzvereins auf, um sich beraten zu lassen. Der hierfür zuständige Mitarbeiter des Mieterschutzvereins bat den Vermieter um Übersendung von Kopien der Abrechnungsbelege. Dies lehnte der Vermieter ab. Aus diesem Grund hat der Mieter auf Anraten des Mieterschutzvereins die Betriebskostenvorauszahlungen ab März 2004 eingestellt. Nachdem ein Rückstand von ca. 1.700 EUR entstanden war, hat der Vermieter das Mietverhältnis nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gekündigt und den Mieter auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Der Mieter habe darauf vertrauen dürfen, dass er von dem Mieterschutzverein richtig beraten werde. Er habe deshalb nicht schuldhaft gehandelt.

Die Revision des Vermieters hatte Erfolg.

1. Der Vermieter ist unter anderem dann zur ordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Eine solche Pflichtverletzung liegt jedenfalls dann vor, wenn Zahlungsrückstände entstehen, die den Tatbestand einer fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllen. Etwas anderes gilt, wenn dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zusteht. Hierzu hat der BGH entschieden, dass der Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege hat (BGH, Urteil v. 8.3.2006, VIII ZR 78/05). Dem Mieter steht lediglich ein Einsichtsrecht in die Belege zu.

2. Die ordentliche Kündigung wegen einer Pflichtverletzung setzt voraus, dass der Mieter schuldhaft handelt. Hierzu führt der BGH aus, dass den Mieter kein eigenes Verschulden trifft. Der Mieter muss sich aber das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Sucht der Mieter einen Rechtsanwalt oder einen Mieterverein auf, um sich beraten zu lassen, so ist der Berater Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der Zahlungspflicht. Für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen muss der Mieter wie für eigenes Verschulden einstehen.

3. Bei dieser Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob der Mitarbeiter des Mieterschutzvereins schuldhaft gehandelt hat. Im März 2004 war das Urteil des BGH vom 8.3.2006 betreffend die Belegeinsicht noch nicht bekannt. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wurden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten. Bei dieser Rechtslage ist in Erwägung zu ziehen, ob das Verschulden deshalb entfällt, weil sich der Rechtsberater in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden hat. Dies wird vom BGH verneint: "Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte … Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handelt bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt …". Will der Mieter eine Kündigung vermeiden, so muss er die Miete "zumindest unter Vorbehalt … oder auf ein Anderkonto" zahlen.

4. In dem entschiedenen Fall hatte der Mieter die rückständigen Betriebskosten innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bezahlt. Hierzu stellt der BGH im Anschluss an das Urteil vom 16.2.2005 (VIII ZR 6/04) fest, dass die auf § 573 BGB gestützte Kündigung gleichwohl wirksam bleibt, weil das sog. "Nachholrecht" nur für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gilt.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 25.10.2006, VIII ZR 102/06

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