Leitsatz
Wohnungseigentümer haften für Gebühren als Gesamtschuldner, wenn ein Gesetz dieses anordnet
Normenkette
§ 10 Abs. 6 Satz 1, S. 3, Abs. 8 WEG
Das Problem
Ein Wohnungseigentümer wendet sich gegen seine Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von 3.153,55 EUR. Der Wohnungseigentümer meint, die Gemeinde habe die Niederschlagswassergebühren zu Unrecht allein ihm gegenüber geltend gemacht. Bei der Niederschlagswassergebühr handle es sich um eine grundstücksbezogene Gebühr, die nur jeweils gegen den Eigentümer in Höhe seines Miteigentumsanteils erhoben werden dürfe.
Entscheidung
- Die Klage hat keinen Erfolg. Es begegne keinen Bedenken, dass die Gemeinde den beklagten Wohnungseigentümer voll umfänglich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen habe.
- Gebührenschuldner der Niederschlagswassergebühr sei "der Grundstückseigentümer". "Grundstückseigentümer" sei als Miteigentümer auch der Kläger. Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 der Abwassersatzung seien Miteigentümer als Gebührenschuldner Gesamtschuldner. Die Satzung beruhe auf dem Kommunalabgabengesetz. Nach diesem könnten die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Nach dem Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit der Abgabenordnung seien Personen Gesamtschuldner, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Abgabenschuldverhältnis schuldeten. Dies sei bei dem Kläger und den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft als jeweiligen Miteigentümern des Grundstücks der Fall.
- Die Vorschriften des Kommunalabgabenrechts seien auch mit Bundesrecht vereinbar. Durch die "Teilrechtsfähigkeit der Wohnungs- bzw. Teileigentümergemeinschaft" werde die Eigentümerstellung der Wohnungs- bzw. Teileigentümer nicht berührt. Diese Rechtsstellung könne Anknüpfung einer gesamtschuldnerischen Haftung sein (Hinweis auf VGH Baden-Württemberg v. 4.10.2005, 2 S 995/05, ZMR 2006 S. 818 und BGH v. 18.6.2009, VII ZR 196/08, ZWE 2009 S. 373, 375).
- § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG stehe dem nicht entgegen. Die dort normierte Haftungsbegrenzung greife nicht, wenn im Landesrecht (öffentlich-rechtlich) eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen sei (BGH v. 18.6.2009, VII ZR 196/08, ZWE 2009 S. 373, 375). So aber liege der Fall.
Kommentar
Die Entscheidung entspricht der zurzeit ganz herrschenden Meinung. Diese geht nach wie vor davon aus, dass der einzelne Wohnungseigentümer Gebührenschuldner für das gemeinschaftliche Eigentum ist. Etwas anderes soll nur gelten, wenn die Leistung der Daseinsfürsorge vertraglich ausgestaltet ist. Vertragspartner der Gemeinde oder Kommune wäre nämlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Für deren Verbindlichkeiten haftet ein Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG "pro rata". Er haftet aber nicht – wie im Fall – voll umfänglich für die gesamten Gebühren.
Was ist für Verwalter wichtig?
Verlangt eine Gemeinde oder Kommune von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Bezahlung von Niederschlagswassergebühren, geht der Bescheid nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WEG dem Verwalter als ihrem Vertreter zu. Hiervon hat er die Wohnungseigentümer angemessen zu informieren. Ferner hat er nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG den Bescheid mit Mitteln der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erfüllen. Zwar ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der Regel nicht der Gebührenschuldner. Die Gemeinschaft muss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aber die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer als Haftungsschuldner erfüllen. Hierzu gehört die Bezahlung von Gebühren, die sich auf das gemeinschaftliche Eigentum beziehen (BGH v. 14.2.2014, V ZR 100/13).
Link zur Entscheidung
VG Karlsruhe, Urteil v. 30.1.2014, 2 K 2233/13