Leitsatz (amtlich)
Ein Grund, die sofortige Vollziehung einer Ausweisung frühzeitig im Hinblick auf das zukünftige Erfordernis einer Abschiebung aus der Strafhaft heraus anzuordnen, besteht nicht, solange zu erwarten ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt die erstinstanzliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist und die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO geendet hat.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 12.05.2003) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Mai 2003 geändert. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2003 wird wiederhergestellt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 2/3 und der Antragsteller zu 1/3.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren erster Instanz auf jeweils 1.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Ausweisung.
Der am 1. Januar 1947 in Bacoor, Philippinen geborene Antragsteller ist philippinischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1989 im Bundesgebiet. Nach zwei geschiedenen Ehen mit deutschen Staatsangehörigen heiratete der Antragsteller im März 1998 eine philippinische Staatsangehörige. Im August 1998 ist ihm die Aufenthaltsberechtigung erteilt worden.
Das Landgericht Hamburg – Große Strafkammer – verurteilte den Antragsteller durch rechtskräftiges Urteil vom 6. Juni 2002 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten. Der Antragsteller befindet sich in Strafhaft. Das reguläre Strafende wird im September 2008 erreicht.
Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller mit Bescheid vom 11. Dezember 2002 aus und drohte ihm die Abschiebung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Haftentlassung an. Hinsichtlich der Ausweisung ordnete sie die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie insoweit aus: Die Schwere der Straftat gebiete die schnellstmögliche und im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Haftentlassung erfolgende Abschiebung. Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller bei einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Entscheidung im Klagverfahren erneut im Bereich des Rauschgifthandels straffällig werde. Ein besonderes öffentliches Interesse an der umgehenden Beendigung des Aufenthalts sei ferner durch die besonders angespannte Drogensituation in Hamburg und die katastrophalen Folgen des Drogenhandels und des Drogenkonsums für die Stadt und deren Bevölkerung begründet. Die Bekämpfung der Drogenszene durch die Polizei erfordere als flankierende Maßnahme zum polizeilichen Handlungskonzept und im Interesse einer noch wirksameren Abschreckung die rasche Aufenthaltsbeendigung von mit Drogen handelnden Ausländern. Drogendealern und potentiellen Nachahmern müsse durch Anordnung der sofortigen Vollziehung klar gemacht werden, dass sie bei Drogenhandel oder Beteiligung daran mit schnellstmöglicher Aufenthaltsbeendigung zu rechnen hätten. Zudem müsse sie, die Antragsgegnerin, die Möglichkeit der umgehenden Aufenthaltsbeendigung haben, wenn nach § 456 a StPO die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe für den Fall der Abschiebung ausgesetzt werde. Die entsprechende staatsanwaltschaftliche Verfügung würde ad absurdum geführt, wenn mit der Abschiebung gewartet werden müsste, bis die Ausweisungsverfügung bestandskräftig sei. Die umgehende Abschiebung erspare überdies weitere Aufwendungen für die Haft des Antragstellers und entlaste die begrenzten Haftplatzkapazitäten.
Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte mit der Begründung, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung keine Veranlassung bestehe, die Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO auszusetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2003 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hielt sie aufrechter: Es müsse sichergestellt werden, dass die durch die Ausweisung eingetretene Ausreiseverpflichtung bereits vor rechtskräftigem Abschluss des zu erwartenden Klagverfahrens vollziehbar sei. Nur durch eine strikte Gesetzeshandhabung im Wege der sofortigen Vollziehung sei es möglich, künftig andere Ausländer wegen des damit verbundenen unmittelbar wirkenden Ausweisungsrisikos von Verstößen gegen die Rechtsordnung abzuschrecken und straffällig gewordene Ausländer – wie den Antragsteller – an der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten zu hindern.
Der Antragsteller hat am 3. März 2003 Klage erhoben und zugleich den Antrag gestellt, die sofortige Vollziehung der angefochtenen Bescheide bis zur rechtskräftigen Entscheidung „auszusetzen”. Klage und Antrag sind innerhalb der gesetzten Frist von vier Wochen nach Eingang der Sachakten nicht begründet worden.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Ab...