Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung für Eingliederungshilfe in Form Betreuten Wohnens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf teilstationäre bzw. ambulante Leistungen – hier der Eingliederungshilfe in Form des sog. Betreuten Wohnens – durch eine Einrichtung ist § 3 Abs. 2 Satz 2 BSHG nicht anzuwenden.

2. Soweit der Hilfeempfänger die Eingliederungshilfe bedarfsdeckend durch eine selbst gewählte Einrichtung erhält, mit dessen Träger der Träger der Sozialhilfe eine Vereinbarung im Sinne von § 93 Abs. 2 BSHG abgeschlossen hat, entfällt dessen Verpflichtung zur Übernahme der Vergütung für die Leistung regelmäßig nicht schon deshalb, weil die der Vereinbarung zugrunde liegende Betreuungskapazität der Einrichtung (Anzahl der betreuten behinderten Menschen) durch Aufnahme weiterer Hilfeempfänger überschritten wird.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 15.07.2004)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin – die im Übrigen zurückgewiesen wird – wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Juli 2004 geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten der Betreuung der Antragstellerin in der Einrichtung „Betreutes Wohnen Treffpunkt …”, für die Dauer eines Monats ab Bekanntgabe dieser Entscheidung vorläufig zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin tragen die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Gründe

Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern, und die Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von der Antragstellerin in diesem Verfahren begehrten Sozialhilfeleistungen (Eingliederungshilfe durch Betreutes Wohnen) für den aus dem Tenor ersichtlichen Zeitraum zu gewähren (1.). Dagegen muss die Beschwerde ohne Erfolg bleiben, soweit die Antragstellerin eine weiter in die Zukunft reichende Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin sowie die Übernahme von in der Vergangenheit aufgelaufenen Zahlungsrückständen (ab 21.6.2004) gegenüber dem Träger der Einrichtung erstrebt (2.).

1. Die Antragstellerin hat mit der Beschwerde ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund ihrer Behinderung die vorläufige Übernahme der Kosten ihrer Betreuung durch die Einrichtung „Betreutes Wohnen Treffpunkt …” (im Folgenden „Treffpunkt”) als Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX beanspruchen kann. Diesem Anspruch steht entgegen der Ansicht der Antragstellerin eine sog. Platzzahlbegrenzung für die genannte Einrichtung nicht entgegen.

a. Die 53jährige Antragstellerin leidet an paranoider Schizophrenie und war wegen dieser Behinderung über 20 Jahre stationär untergebracht. Seit Anfang dieses Jahres lebt sie in Hamburg im eigenen Wohnraum und erhält seit März die hier streitige Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch den „Treffpunkt”. Zum Umfang dieser Leistungen gehören u.a. regelmäßige Hausbesuche, Betreuung in den Räumen der Einrichtung, Geldverwaltung, Unterstützung in behördlichen Angelegenheiten und die Kontrolle der Medikamenteneinnahme. Die Antragsgegnerin und der Träger der Einrichtung, haben am 30. September 2003/11. Februar 2004 für die Einrichtung eine Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG geschlossen. Im Rahmen der darin enthaltenen Leistungsvereinbarung (vgl. § 93 Abs. 2 Nr. 1 BSHG) ist für die Einrichtung – auf der Basis von drei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses voll besetzten Dipl.-Sozialpädagogenstellen – ein sog. Betreuungsschlüssel von „1: 8 = 16 Plätze” bzw. von „1: 3 = 3 Plätze” festgeschrieben worden (Nr. 6 der Anlage 1 zur Vereinbarung: „Personelle Ausstattung und Qualifikation”). In der Vergütungsvereinbarung (vgl. § 93 Abs. 2 Nr. 2 BSHG) ist unter der Annahme von 19 Betreuungsplätzen als Vergütung für die teilstationären Leistungen der Einrichtung für den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2006 ein Tagessatz von 30,49 Euro (monatlich 926,90 Euro) vereinbart worden (Anlage 2 zur Vereinbarung).

b. Die Antragstellerin kann verlangen, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Betreutes Wohnen (§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX), die sie unstreitig beanspruchen kann, gerade durch die Einrichtung „Treffpunkt” erbracht werden und die Antragsgegnerin die mit dem Träger vereinbarten Kosten hierfür übernimmt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG soll Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Die Antragstellerin hat ihren Wunsch nachvollziehbar damit begründet, dass ihr Verlobter schon seit Jahren vom „Treffpunkt” betreut wird und sie diese ortsnahe Einrichtung, die ein umfangreiches Tagesbetreuungsprogramm vorhält, gemeinsam aufs...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?