Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zulässigen Eingriffe in Berufsausübungsfreiheit der Träger von Einrichtungen der Sozialhilfe durch Verteilungsregelungen allein auf Grund von Vorschriften über Einzelheiten der Hilfegewährung
Leitsatz (amtlich)
1.) Zu den Voraussetzungen, unter denen das Finanzierungskonzept der sog. Sozialraumbudgetierung in die Berufsausübungsfreiheit eines an diesem Konzept nicht beteiligten Trägers der freien Jugendhilfe eingreift.
2.) Für einen derartigen Eingriff enthält das SGB VIII nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage.
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin, ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, ihr Finanzierungskonzept der Sozialraumbudgetierung im Bereich des Bezirksamts Bergedorf zu praktizieren.
Im Rahmen dieses neuartigen Finanzierungskonzepts schloss die Antragsgegnerin nach vorheriger Durchführung eines im Amtlichen Anzeiger bekannt gegebenen Interessenkundgebungsverfahrens im März 2004 mit den Beigeladenen, fünf anderen anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe, regionale Versorgungs- und Kooperationsverträge. Darin verpflichteten sich die Beigeladenen dazu, die erforderliche Infrastruktur zur Erbringung von Leistungen der Jugendhilfe nach §§ 29 bis 32 und 35 SGB VIII zu erbringen. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Zahlung eines pauschalen Jahresbudgets, mit dem die Beigeladenen die ihnen übertragenen Hilfeleistungen zu erbringen haben. Erklärtes Ziel der Antragsgegnerin ist es, 90 % der ambulanten und teilstationären Hilfen zur Erziehung im Bereich des Bezirksamts Bergedorf durch die Beigeladenen abzudecken. Für den Fall einer das Budget übersteigenden Nachfrage an Hilfen haben die Antragsgegnerin und die Beigeladenen eine „Überlastquote” von 10 % vereinbart. Bei besonderen Fallgestaltungen, die nach Schätzung der Antragsgegnerin etwa 10 % der Hilfeleistungen ausmachen werden, können auch andere Träger der freien Jugendhilfe an der Hilfe zur Erziehung beteiligt werden.
Mit ihrem Konzept der sozialraumorientierten Finanzierung verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, die Jugendhilfe effektiver und kostengünstiger zu gestalten. Die Antragstellerin sieht hierin eine unzulässige Beeinflussung des Wettbewerbs unter den Trägern der freien Jugendhilfe und damit eine Beeinträchtigung ihrer durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe in der gemäß §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Weise glaubhaft gemacht, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Mit ihrem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept greife die Antragsgegnerin in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin ein (BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, BVerwGE 89, 281). Einer solchen Annahme stehe nicht entgegen, dass die im Bereich des Bezirksamts Bergedorf für Hilfe zur Erziehung zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu 100 % an die von der Antragsgegnerin ausgewählten Leistungserbringer verteilt würden, da die Marktchancen der Antragstellerin jedenfalls nennenswert beeinträchtigt seien. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei auch nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes gerechtfertigt. Insbesondere enthalte das SGB VIII keine Vorschriften, die es dem Jugendamt gestatteten, Hilfen zur Erziehung exklusiv an bestimmte Leistungserbringer zu vergeben und damit die übrigen Träger der freien Jugendhilfe zu übergehen. Auch das Bestreben der Antragsgegnerin, die Kosten der Hilfe zur Erziehung, die in den letzten zehn Jahren erheblich angestiegen seien, zu vermindern, vermöge das neue Finanzierungskonzept nicht zu rechtfertigen. Zwar sei diese Zielsetzung nicht zu beanstanden. Sie müsse indes mit den rechtlich zulässigen Mitteln verwirklicht werden. Dafür biete sich vor allen Dingen eine verstärkte fachliche Steuerung durch die Jugendämter im Hilfeplanverfahren gemäß § 36 SGB VIII an.
Der gemäß §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund sei ebenfalls gegeben. Mit der Durchführung des in Rede stehenden Finanzierungskonzepts würden die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Marktchancen der Antragstellerin erheblich beeinträchtigt werden. Es bestehe die Gefahr, dass die Antragstellerin in einem nicht unerheblichen Umfange als Leistungserbringer von vornherein ausfalle und damit nachhaltig und läng...