Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatenlosigkeit an sich kein Gegenstand einer Feststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
Die Staatenlosigkeit allein stellt kein gegenüber der Ausländerbehörde feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Urteil vom 18.12.2001) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Dezember 2001 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens nach einem Streitwert von 6.000,– Euro.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Aus den Darlegungen des Klägers im Zulassungsantrag, auf die sich die Prüfung grundsätzlich beschränkt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit – des Ergebnisses – der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO).
Mit seinem Antrag zu 1) hat der Kläger, der offenbar weder – was ersichtlich allein in Betracht kommt – die estnische noch die russische Staatsangehörigkeit besitzt, die Feststellung seiner Staatenlosigkeit bzw. des Fehlens der estnischen oder russischen Staatsangehörigkeit begehrt. Das Verwaltungsgericht hat diesen Feststellungsantrag für unzulässig gehalten, weil es an einem feststellungsfähigem Rechtsverhältnis fehle. Das begegnet aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen keinen Zweifeln. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Dagegen bilden Tatbestandsmerkmale, von deren Vorliegen die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten abhängen, kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (BVerwG, Urt. v. 20.11.2003, NVwZ-RR 2004, 253, 254, m.w.N.). Die Staatenlosigkeit des Klägers, die festgestellt werden soll, stellt ein solches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten nicht dar. Es handelt sich bei ihr vielmehr um eine Eigenschaft des Klägers, die eine Tatbestandsvoraussetzung für verschiedene spezielle Rechtsverhältnisse darstellt, deren Feststellung jedoch nicht beantragt worden ist.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Staatenlosigkeit, also dem Fehlen einer Staatsangehörigkeit, um eine Eigenschaft handele, die zugleich eine Vorfrage für weitere Verwaltungsakte oder schlichtes Verwaltungshandeln darstelle. Seine Rechtsbeziehungen zur Beklagten würden dadurch bestimmt, dass er keine Staatsangehörigkeit besitze. Dies wirke sich aus etwa bei Maßnahmen zum Vollzug der Ausreisaufforderung, bei der Vorbereitung der Passbeschaffung, der Abschiebung, bei Aufforderungen zur Ausstellung von Passantragsformularen und zu Botschaftsvorsprachen, bei Anordnungen zum persönlichen Erscheinen bei der Ausländerbehörde, bei der Befristung der Duldung sowie der Eintragung der Staatsangehörigkeit in die Duldungs-Bescheinigung. Durch die Staatenlosigkeit würde seine besondere Schutzbedürftigkeit festgestellt. Hiermit verweist der Kläger auf verschiedene Regelungen des Ausländer- bzw. jetzt des Aufenthaltsgesetzes und auch des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, bei denen jeweils das Bestehen oder Nichtbestehen einer Staatsangehörigkeit eine Rolle spielen kann. Diese Eigenschaft als „Ausländer ohne Staatsangehörigkeit” ist jeweils eine Vorfrage, von der die konkreten rechtlichen Beziehungen abhängen können. Derartige Eigenschaften bzw. Vorfragen stellen jedoch nach den oben genannten Maßstäben selbst regelmäßig noch keine Rechtsverhältnisse dar (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 5.12.2000, DVBl. 2001, 393, 394; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 43 Rdnr. 28).
Derartige Eigenschaften können ausnahmsweise dann bereits selbst als feststellungsfähige Rechtsverhältnisse anzusehen sein, wenn mit ihnen Statusrechte oder andere Rechtsbeziehungen unmittelbar einhergehen. Das ist z.B. bei der Beamteneigenschaft oder der Rechtsstellung als anerkannter Kriegsdienstverweigerer, aber auch beim Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit oder der Eigenschaft als sog. Statusdeutscher (Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit) der Fall. Die Eigenschaft stellt in derartigen Fällen lediglich eine „abgekürzte” Bezeichnung für ein Bündel von Berechtigungen und/oder Verpflichtungen dar (vgl. Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 43 Rdnr. 31, m.w.N.). Hiermit ist die geltend gemachte Staatenlosigkeit jedoch nicht zu vergleichen. Auch bei einem solchermaßen weit verstandenen Begriff des Rechtsverhältnisses (vgl. hierzu: Pietzcker in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rdnr. 16) genügt die Staatenlosigkeit allein noch nicht den...