Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des Staatenlosenübereinkommens. bilaterales Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und Syrien. Mitwirkungspflicht des Ausländers beim Versuch der Feststellung der Staatsangehörigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der § 24 Abs. 3 AsylVfG begründet lediglich die Verpflichtung des Bundesamts, die Ausländerbehörde unverzüglich über die im Asylverfahren getroffenen Entscheidungen “zu unterrichten”. Den sich aus der Kompetenztrennung zwischen Asyl- und Ausländerbehörden in Rechtsstreitigkeiten ergebenden Problemen hat der Gesetzgeber in § 42 Satz 1 AsylVfG Rechnung getragen.

2. Die Formulierung des § 4 AsylVfG, wonach eine Entscheidung über den Asylantrag in allen Angelegenheiten “verbindlich ist”, in denen die Anerkennung oder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG rechtserheblich ist (Satz 1), lässt unschwer erkennen, dass der Gesetzgeber damit vermeiden wollte, dass die Frage des Vorliegens politischer Verfolgung, wenn sie vom Bundesamt im Asylverfahren oder in einem anschließenden Gerichtsverfahren positiv oder, zum Beispiel wegen des Bestehens anderweitiger Verfolgungssicherheit negativ, entschieden worden ist, nicht abweichend von dieser Entscheidung beantwortet werden darf. Die Frage der Staatenlosigkeit wird davon nicht umfasst.

3. Die Anwendung des Staatenlosenübereinkommens setzt die Feststellung einer Staatenlosigkeit nicht nur im faktischen, sondern in dem Sinne voraus, dass kein anderer Staat den Ausländer nach seinen Regelungen als eigenen Staatsangehörigen ansieht.

4. Die dem Ausländer nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegende Mitwirkungspflicht schließt den Versuch der Klärung der Staatsangehörigkeit durch Kontaktaufnahme mit den zuständigen Stellen des in Betracht kommenden Fremdstaats, hier der Türkei, ein. Das gilt insbesondere dann, wenn die nur mit Hilfe des Ausländers zu klärenden Sachverhaltsumstände tatbestandliche Voraussetzungen für einen von ihm geltend gemachten Anspruch, hier die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und die Anwendbarkeit des Staatenlosenübereinkommens, betreffen.

5. Die “Nichterweislichkeit einer Staatenlosigkeit” sog. Maktumin aus Syrien geht im Rahmen der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG zumindest so lange “zu Lasten” der Betroffenen, wie diese eine Mitwirkung bei der notwendigen Klärung durch die unverzichtbare Kontaktaufnahme mit türkischen Stellen generell verweigern.

6. Nach der Mitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 14.7.2008 wurde an diesem Tag zwischen der Bundesrepublik und Syrien ein bilaterales Rückübernahmeabkommen unterzeichnet, das unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Rückführung von rechtswidrig in die Bundesrepublik eingereisten Staatenlosen aus Syrien vorsieht.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; VwGO §§ 63, 65, 121 Nr. 1, § 124 Abs. 1-2, §§ 124a, 138 Nr. 3; AsylVfG §§ 4, 15 Abs. 2 Nr. 6, § 24 Abs. 3; AsylVfG Rechnung § 42 S. 1; AufenthG § 25 Abs. 5, §§ 60, 82 Abs. 1 S. 1; AuslG § 70

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen 10 K 31/07)

 

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. Dezember 2007 – 10 K 31/07 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 40.000,- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger zu 1) und 2) und ihre Kinder, die Kläger zu 3) und 4), sind nach ihren Angaben kurdische Volkszugehörige yezidischer Religionszugehörigkeit aus Barzan in der Provinz Hasakeh der Arabischen Republik Syrien. Sie begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und die Ausstellung von Reisedokumenten nach Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (StlÜbk). (vgl. das Gesetz vom 12.4.1976 (BGBl. II 473), in Kraft getreten am 24.1.1977 in der Bekanntmachung vom 10.2.1977 (BGBl. II 235), abgedruckt bei Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, Kp. 5.2, Seiten 1481 ff.)

Im August beziehungsweise September 2000 gestellte Asylanträge der Kläger wurden vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. (vgl. den Ablehnungsbescheid des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.9.2000 – 2592760-499 –) In dem ihre Klage gegen diese Entscheidung abweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts vom November 2001 (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 8.11.2001 – 2 K 73/01.A –) heißt es, die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung substantiiert und glaubhaft vorgetragen, dass sie in Syrien als Staatenlose behandelt würden. Nach der Erkenntnislage stehe fest, dass die Kläger als unerlaubt ausgereiste Staatenlose nicht nach Syrien zurückkehren könnten und dass die Verweigerung der Wiedereinreise nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Ein Anerkennungsanspruch der Kläger scheitere daher daran, dass Syrien aufgehört habe, das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts zu sein. Der da...

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