Leitsatz (amtlich)
Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ebenso wie nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AuslG einem im Bundesgebiet geborenen Kind eine Aufenthaltserlaubnis bzw. eine Aufenthaltsbefugnis (nur) erteilt wird, wenn die Mutter (als der weibliche Elternteil) eine entsprechende Aufenthaltsgenehmigung besitzt, dagegen der Vater (als der männliche Elternteil) seinem Kind ein – seinem Status entsprechendes – Aufenthaltsrecht nicht vermitteln kann. Diese Schlechterstellung des Vater-Kind-Verhältnisses dürfte gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen (ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 13.10.1999 – 3 Bf 644/99 –; Beschl. v. 25.1.2000 – 4 Bf 322/99 –; VGH Mannheim, Beschl. v. 29.1.2001, NVwZ-RR 2001 S. 605).
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 20.02.2002) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. Februar 2002 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 17 VG 4283/2001 des Antragstellers zu 2) gegen die Verfügung vom 31. Juli 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2001 wird angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin zu 1) nicht vor einer Entscheidung über die Klage 17 VG 4283/2001 abzuschieben.
Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit die Antragstellerin zu 1) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begehrt, zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt drei Viertel, die Antragsteller tragen ein Viertel der Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,– Euro festgesetzt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat überwiegend Erfolg.
Aus den von den Antragstellern dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3987] ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern, und es ist ihnen der begehrte einstweilige Rechtsschutz in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gegen die Verfügungen der Antragsgegnerin vom 8. März 2001 (betr. die Antragstellerin zu 1 [im folg. nur Antragstellerin]) und vom 31. Juli 2001 (betr. deren minderjährigen Sohn, den Antragsteller zu 2 [Antragsteller]) sowie den Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2001 zu gewähren.
1. Der am 22. September 2000 im Bundesgebiet geborene Antragsteller, der in der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat (19.3.2001) und dessen Aufenthalt bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin nach Absatz 3 Satz 2 dieser Vorschrift zunächst als erlaubt galt, hat mit der Beschwerde dargelegt, dass sein Rechtsmittel gegen die genannten Bescheide, mit denen sein Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Estland für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise angedroht worden ist, Aussicht auf Erfolg hat und dass insoweit sein Interesse, für die Dauer des Klageverfahrens das Bundesgebiet nicht verlassen zu müssen, Vorrang genießt gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Beendigung seines Aufenthalts. Denn bei einer im Rahmen dieses Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes – hier zutreffend auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gerichtet – nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht feststellen, dass die Versagung der begehrten Aufenthaltsgenehmigung als Aufenthaltsbefugnis und die Abschiebungsandrohung in den angefochtenen Bescheiden offenkundig zu Recht ergangen ist. Vielmehr erscheint ebenfalls möglich, dass dem Antragsteller das geltend gemachte Aufenthaltsrecht zusteht und er deshalb zunächst nicht abgeschoben werden darf.
Der Antragsteller hat mit der Beschwerde – unter Hinweis auf entsprechende gerichtliche Entscheidungen und auf Kommentarliteratur – ausreichend dargelegt, dass die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis in seinem Fall erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil er im Bundesgebiet geboren und sein – als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannter – togoischer Vater im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei. Diese Zweifel teilt das Beschwerdegericht. Dazu ist auszuführen:
Zwar hat die Antragsgegnerin in den angefochtenen Bescheiden zutreffend angenommen, dass § 31 Abs. 2 Satz 1 AuslG nach seinem Wortlaut als unmittelbare Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ausscheidet. Denn danach ist einem im Bundesgebiet geborenen Kind von Amts wegen eine Aufenthaltsbefugnis (nur) dann zu erteilen, wenn die Mutter – hier die Antragstellerin – eine Aufenthaltsbefugnis besitzt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Antragstellerin ist vielmehr nach eigenen Angaben im Juli 2000 ohne das für den beabsichtigten Daueraufenthalt notwendige Visum in das Bundesgebiet eingereist, und ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung hat die Antragsgegnerin mit...