Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerlegung des Bestehens einer Versorgungsehe

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe des verstorbenen Beamten sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Die Kenntnis der Eheleute von dem lebensbedrohlichem Charakter der Erkrankung des Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung nicht aus (Abgrenzung zu VGH München, Beschl. v. 1.12.1998 – 3 B 95.3050 –).

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Urteil vom 06.04.2004)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

 

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die von der Beklagten dargelegten Gründe (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichts Hamburg (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensmangels, der der Beurteilung des Berufungsgericht unterliegt (§ 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO), können nicht zur Zulassung der Berufung führen.

1 a) Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Beklagte die Frage, ob die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters der Erkrankung des Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG regelmäßig ausschließt, es sei denn, die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses dar. Zur Begründung führt sie an, der Bayrische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 1. Dezember 1998 (-3 B 95.3050-, Schütz/Maiwald Beamtenrecht Entscheidungen, ES/C II 2.3.1) einen solchen Rechtssatz aufgestellt, von dem das angefochtene Urteil abweiche.

Die Zulassung der Berufung aus diesem Grunde kann nicht erfolgen. Zum einen hat der BayVGH in den Gründen der zitierten Entscheidung den im Leitsatz dargestellten Grundsatz, auf den sich die Beklagte beruft, nicht aufgestellt, so dass von einer Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Entscheidung keine Rede sein kann. Der BayVGH hat vielmehr bei der gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG gebotenen Prüfung, ob nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, in einem von ihm entschiedenen Fall entscheidend darauf abgestellt, ob sich die Eheleute im Zeitpunkt der Heirat bzw. des Heiratsentschlusses über den grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung des einen Partners im klaren gewesen sind. Dass ein solcher Umstand dann allerdings, wie die Beklagte meint und der Leitsatz der Entscheidung nahe legt, regelmäßig die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ausschließt, ist in den Gründen nicht ausgeführt. Ein solcher Grundsatz ist auch nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG nicht anzunehmen. Die Vorschrift lässt ausdrücklich eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung alleiniger oder überwiegender Versorgungsabsicht zu, wenn dies aus den besondern Umständen des Falls gerechtfertigt ist. Hierzu zählen alle Umstände, die im Einzelfall nach außen erkennbar Besonderheiten aufweisen und hinreichend verlässliche Schlüsse darauf zulassen, dass zumindest einer der Eheleute mit der Heirat überwiegend andere als Versorgungszwecke verband. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist daher unzweifelhaft, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, auf alle Umstände des Einzelfalls abzustellen (vergl. Mannheim, Beschl. v. 10.2.2003, VBlBW 2003, S. 287). Für eine die Widerlegungsmöglichkeit einschränkende Regel, wie sie die Beklagte aufstellt, ist nach dem Gesetzeswortlaut kein Raum, auch wenn die Kenntnis beider Partner vor der Hochzeit von der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung grundsätzlich ein weiteres, objektives und starkes Indiz für eine Versorgungsabsicht bei der Heirat darstellt.

1 b) Hinsichtlich der weiter aufgeworfenen Frage, „ob es sich bei einer von Dritten wahrgenommenen religiösen Einstellung des Beamten bzw. bei der Erklärung von Dritten, der Beamte habe seine Ehefrau geliebt, um ausreichend objektive besondere Umstände im Sinne des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG handelt”, hat die Beklagte mit Recht keine weiteren Darlegungen zur Grundsätzlichkeit folgen lassen. Es handelt sich um Fragen bei der Abwägung des konkreten Einzelfalles, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.

2) Die differenzierten Darlegungen der Beklagten, weshalb gegen die Entscheidung des Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel bestünden, überzeugen im Ergebnis nicht.

a) Der Senat hat im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel, dass vorliegend nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass allei...

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