Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilung eines Zustellungsmangels
Leitsatz (amtlich)
Für die Heilung eines Zustellungsmangels durch tatsächlichen Zugang genügt es nicht, dass das Schriftstück (hier ein Telefax) in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, so dass der Empfänger objektiv die Möglichkeit hat, es zur Kenntnis zu nehmen. Erforderlich ist vielmehr, dass ihm die Kenntnisnahme zuverlässig möglich ist, was bei einem Rechtsanwalt die Bereitschaft hierzu einschließt.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 09.08.2004) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. August 2004 wird zurückgewiesen
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 2.500,– Euro.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig.
Der Antragsteller hat die Beschwerde innerhalb der Frist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet. Diese Frist ist mit dem am 13. September 2004, einem Montag, beim Beschwerdegericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage gewahrt worden.
Die Begründungsfrist ist gemäß § 57 Abs. 1 VwGO in Lauf gesetzt worden. Allerdings liegt ein Zustellungsmangel vor, da der Beschluss dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Entgegen § 56 Abs. 2 VwGO ist der Beschluss nicht in einer der in §§ 166 ff. ZPO geregelten Weisen zugestellt worden. Der Absendevermerk des Verwaltungsgerichts lässt nicht erkennen, dass der Beschluss gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Erkennbar ist nur, dass er am 9. August 2004 per Telefax übermittelt und entweder am selben Tage oder erst am 13. August 2004 abgesandt wurde. Den glaubhaften Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zufolge wurde der Beschluss am 9. August 2004 per Telefax übermittelt und er ging als Brief am 12. August 2004 in seinem Büro ein, und zwar jeweils ohne Empfangsbekenntnis. Gleichwohl liegt eine Zustellung im Sinne des § 57 Abs. 1 VwGO vor, weil dieser Zustellungsmangel geheilt ist und die Zustellung fingiert wird. Denn nach § 189 ZPO gilt der Beschluss in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem er – hier dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers – tatsächlich zugegangen ist. Dass mit der Zustellung eine Frist ausgelöst wird, ändert hieran nichts. Die diesbezügliche Einschränkung in den früheren Heilungsvorschriften nach § 187 Satz 2 ZPO a.F. und § 9 Abs. 2 VwZG a.F. enthält der heutige § 189 ZPO nicht mehr.
Die Voraussetzungen des § 189 ZPO sind erfüllt. Der angefochtene Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nachweislich erst am 13. August 2004 zugegangen. Auf die Übermittlung des Beschlusses per Telefax am 9. August 2004 ist hier nicht abzustellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Zustellungsmangel überhaupt durch Übermittlung einer Telekopie geheilt werden kann, oder ob das zuzustellende Schriftstück selbst zugehen muss. Für die Möglichkeit einer Heilung auch durch Übermittlung einer Telekopie spricht, dass eben diese Übermittlungsform durch den neuen § 174 Abs. 2 ZPO u.a. bei Rechtsanwälten zulässig sein soll und dass bei einer Zustellung auf diesem Wege dem Wortlaut des § 174 Abs. 2 Satz 1 ZPO zufolge eben das Schriftstück selbst auf diese Weise zugestellt wird. Hiernach genügt es, dass dem Zustellungsempfänger die Telekopie vorliegt, um von einer Zustellung des Schriftstückes selbst ausgehen zu können. Deshalb liegt es nahe, im Rahmen des § 189 ZPO ebenfalls einen Zugang des Schriftstücks selbst anzunehmen, auch wenn nur eine Telekopie übermittelt worden ist. Es kommt hinzu, dass bereits zu § 9 Abs. 1 VwZG a.F., dem der neue § 189 ZPO nachgebildet ist (vgl. auch BT-Drs. 14/4554, S. 24), anerkannt wurde, dass ein Zustellungsmangel geheilt wurde, wenn der Empfänger nur eine Kopie des Schriftstücks erhalten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 301, m.w.N.; a.A. Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2004, Rdnr. 4 zu § 9 VwZG). Eine Kopie liegt auch im Falle eines Telefaxes vor.
Gleichwohl stellt das Beschwerdegericht im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht auf den Zeitpunkt ab, zu dem das Telefax in die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers übermittelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Schriftstück noch nicht i.S. von § 189 ZPO zugegangen. Für die Heilung des Zustellungsmangels genügt es nicht, dass das Schriftstück in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, so dass der Empfänger objektiv die Möglichkeit hat, es zur Kenntnis zu nehmen. Erforderlich ist vielmehr, dass ihm die Kenntnisnahme zuverlässig möglich ist, was bei einem Rechtsanwalt die Bereitschaft hierzu einschließt. Bereits für die Heilung nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. war anerkannt, dass dem Empfänger eine zuverlässige Kenntnis des Inhalts des Beschlusses möglich sein musste (vgl. BVerwG, a.a.O.; BGH, Urt. v. 21.3.2001, NJW 2001 S. 1946). Zwar stellte diese Vorläufervorschrift nicht auf den „Zugang” ab, sondern darauf, dass ...