1 Leitsatz

Sind Einzelforderungen nach Grund und Höhe genau bezeichnet, ist es im Hinblick auf die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Verrechnungsmethode bei nicht ausreichenden Teilleistungen des Schuldners unschädlich, wenn sich der Kläger weder ausdrücklich noch vollumfänglich über die Anrechnung bzw. Verrechnung erfolgter Zahlungen oder erteilter Gutschriften erklärt. Der geltend gemachte Anspruch als solcher muss lediglich identifizierbar sein, was aber nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden kann.

2 Normenkette

§ 253 Abs. 2 ZPO; § 28 WEG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K klagt gegen Wohnungseigentümer B auf Zahlung (B hat Hausgeld nicht gezahlt). Das AG weist die Klage als unzulässig ab. Es handele sich um eine Saldoklage, bei der der Klageantrag unbestimmt und der Klagegrund nicht eindeutig umfasst sei. Auch durch eine Zuziehung der von der K vorgelegten Anlagen sei es weder direkt noch im Wege der Auslegung möglich, eine Zuordnung der erfolgten Zahlungen zu konkreten Forderungen vorzunehmen.

Gegen dieses Urteil legt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Berufung ein. Sie meint, es genüge die Angabe, welcher Betrag für den gesamten Zeitraum geschuldet und in welcher Höhe er nicht beglichen worden sei. Außerdem habe sie die Vorauszahlungen unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen und der errechneten Nachzahlungsbeträge einzeln aufgeschlüsselt. Es komme einer Rechtsverweigerung nahe, dass sich das AG hiermit nicht befasse.

4 Die Entscheidung

Die Berufung ist zulässig, begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das AG! Denn die Klage sei zulässig. Ein Kläger dürfe zwar die Auswahl, über welche selbstständigen Ansprüche das Gericht entscheiden solle, nicht diesem selbst überlassen. Seien die Einzelforderungen jedoch nach Grund und Höhe genau bezeichnet, sei es im Hinblick auf die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Verrechnungsmethode bei nicht ausreichenden Teilleistungen des Schuldners unschädlich, wenn sich der Kläger weder ausdrücklich noch vollumfänglich über die Anrechnung bzw. Verrechnung erfolgter Zahlungen oder erteilter Gutschriften erkläre. Der geltend gemachte Anspruch als solcher müsse lediglich identifizierbar sein, was aber nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden könne.

K habe danach bei der gebotenen sachgerechten Auslegung ihres Klagebegehrens den Inhalt und die Reichweite ihres Begehrens hinreichend bestimmt. Die von ihr beanspruchten Forderungen seien im Einzelnen nach Zeitraum, Höhe und Forderungsart bezeichnet. Zwar habe K Hausgeldzahlungen für das Wirtschaftsjahr 2019 in Höhe von 280 EUR pauschal von der "Zwischensumme" in Höhe von 3.953,88 EUR (der Summe der monatlich geschuldeten Wohngelder) abgezogen. Hieran sei problematisch, dass die "Zwischensumme" das Hausgeld für mehrere Wohnungseigentumsrechte und mehrere Monate sei, und K nicht angebe, mit welcher Einzelforderung sie die 280 EUR verrechnen wolle. Dies stelle aber die Bestimmtheit des Klageantrags nicht infrage, da auch ohne ausdrückliche Verrechnungs- oder Aufrechnungserklärung ein Rückgriff auf die gesetzliche Anrechnungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB in Betracht komme, dessen Anwendung dem Gericht von Amts wegen obliege.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer Hausgeld ein. Fraglich ist, ob sie für jeden Monat, für den der Beklagte Hausgeld schuldet, sagen muss, welche Forderung noch unerfüllt ist.

Das Gesetz hilft!

Das LG verneint die Frage. Es reiche, wenn das Gericht, wenn es § 366 BGB anwende, erkennen könne, welche Forderungen noch unerfüllt seien. Ich meine, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat insoweit Glück gehabt. Zwar vollzieht das LG nur die BGH-Rechtsprechung nach. Diese hatte mit einer alten Unsitte Schluss gemacht, mit der die Gerichte Zahlungsklagen aus formalen Gründen abgeschmettert hatten. Mir selbst ist aber nicht nachvollziehbar, warum es der Verwaltung im Rahmen ihres Inkassos und der Führung der Buchhaltungskonten nicht möglich war, präzise anzugeben, für welchen Monat sie welche Hausgeldforderung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als unerfüllt ansieht. Dies gilt auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer Eigentümer mehrerer Wohnungseigentumsrechte ist und in einer "Sammelzahlung" die Schulden, die sich auf mehrere Wohnungseigentumsrechte beziehen, (ggf. teilweise) erfüllt.

Zum Forderungsmanagement und zur Verbuchung von Hausgeldzahlungen siehe näher Elzer, Forderungsmanagement im Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., unter 7.1.3.

6 Entscheidung

LG München I, Urteil v. 11.11.2021, 36 S 2936/21 WEG

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