Leitsatz
Der Mieter hat nach § 4 Abs. 2 HeizkostenV den Austausch funktionstüchtiger Erfassungsgeräte für Heizwärme und Warmwasser gegen ein zur Funkablesung geeignetes System zu dulden. Für die Ersetzung der bisherigen Erfassungsgeräte für Kaltwasser durch ein funkbasiertes Ablesesystem kann sich eine Duldungspflicht aus § 554 Abs. 2 BGB ergeben.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 554 Abs. 2; HeizkostenV § 4 Abs. 2
Kommentar
Die Wohnungen eines Mehrfamilienhauses sind bisher mit Verbrauchserfassungsgeräten für Wärme, Warmwasser und Kaltwasser ausgestattet, die jährlich von einem Mitarbeiter eines Mess- und Abrechnungsunternehmens abgelesen werden. Die Geräte sind funktionstüchtig; gleichwohl will der Vermieter die Geräte durch solche ersetzen, deren Werte über Funk erfasst werden. Damit ist der Mieter nicht einverstanden, weil er infolge der Funkwellen eine Beeinträchtigung seiner Gesundheit oder seines Wohlbefindens befürchtet.
Nach Auffassung des BGH hat der Mieter den Austausch der Geräte zu dulden.
1 Erfassung von Heiz- und Warmwasserkosten
Der Vermieter ist gehalten, zentralbeheizte Räume mit Verbrauchserfassungsgeräten auszustatten (§ 4 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV); "die Nutzer haben dies zu dulden". In Rechtsprechung und Literatur war bislang streitig, ob sich die Duldungspflicht nur auf die Erstausstattung und auf den Austausch unbrauchbarer Geräte bezieht (z.B. LG Kassel, Urteil v. 27.5.2004, 1 S 381/03, NZM 2006 S. 818; Eisenschmid, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 554 Rdn. 169) oder ob der Mieter auch den Austausch veralteter gegen moderne Geräte hinzunehmen hat (so LG Berlin, Beschluss v. 22.10.2010, 63 S 451/10, NJW-RR 2011 S. 740; Wall, in Eisenschmid/Wall, Betriebskostenkommentar, 3. Aufl. 2010, Rdn. 2996b).
Der BGH hatte dies im Urteil vom 12.5.2010 (VIII ZR 170/09, NJW 2010 S. 2571 ) offengelassen. Er schließt sich nunmehr der letztgenannten Ansicht an. Er stützt sich zum einen auf den Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV, dem keine Beschränkung auf eine Erstausstattung zu entnehmen ist. Zum anderen entspreche es der Intention des Gesetzgebers, dass in den Gebäuden möglichst moderne Geräte mit einer technisch aktuellen Mess- und Erfassungstechnik installiert werden.
2 Erfassung von Kaltwasserkosten
Hier stellt sich die Frage, ob der Einbau von funkbasierten Erfassungsgeräten als "Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache" zu bewerten ist. Hierzu hat der BGH im Urteil vom 13.2.2008 (VIII ZR 105/07, NJW 2008 S. 1218) ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal "Verbesserung der Mietsache" nach der Verkehrsanschauung auszulegen sei. "Entscheidend ist, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, sodass der Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung nach Durchführung der Maßnahme von künftigen Mietinteressenten – bei im Übrigen gleichen Konditionen – eher angemietet würde als eine vergleichbare Wohnung, bei der die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist."
Der Vermieter muss dies nicht beweisen. Es genügt, wenn der Anschein für eine bessere Vermietbarkeit spricht (BGH, Urteil v. 20.7.2005, VIII ZR 253/04, NJW 2005 S. 2995).
So betrachtet bietet eine funkgesteuerte Verbrauchserfassung 2 Vorteile:
- Zum einen entfällt der Besuch der mit der Ablesung beauftragten Person, was insbesondere für den berufstätigen Mieter vorteilhaft ist.
- Zum anderen bietet dieses System wegen der Abrufbarkeit der Speicher- und Zählerstände eine verbesserte Verbrauchskontrolle.
Dies rechtfertigt es, die Maßnahme als Modernisierung zu bewerten.
3 Gesundheitsgefahren durch Funkwellen
Die Duldungspflicht kann nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB entfallen, wenn die geplante Maßnahme zu einer Gesundheitsgefährdung der Bewohner führen kann. Dies wird vom BGH verneint, weil solche Befürchtungen wissenschaftlich nicht belegt sind.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 28.9.2011, VIII ZR 326/10, NJW 2011 S. 3514