Leitsatz
Der im Jahre 1979 geborenen Kindesmutter war nach einer intensiven Drogenkarriere und einer psychischen Erkrankung im Februar 2007 zunächst das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind und sodann im März das gesamte Personensorgerecht entzogen worden. Sogleich war angeordnet worden, dass das Kind im Haushalt der Pflegeeltern verbleiben solle.
Die Pflegeeltern und das Jugendamt wandten sich mit der Beschwerde gegen die Befristung des Verbleibs des Kindes im Haushalt der Pflegeeltern auf den 30.8.2008. Zur Begründung führten sie an, es bestehe die Befürchtung, dass das Kind zur Unzeit aus seinen Bindungsverhältnissen gelöst werde.
Das Kreisjugendamt rügte mit seiner Beschwerde, es handele sich um einen Fall notwendiger Verfahrenspflegschaft i.S.v. § 50 Abs. 2 FGG. Gleichwohl habe das erstinstanzliche Gericht eine Verfahrenspflegerin erst nach der zweiten mündlichen Verhandlung bestellt und diese nicht mehr angehört. Darüber hinaus habe das erstinstanzliche Gericht die Verfahrenspflegerin auch noch durch den Beschluss im Parallelverfahren mit einer Umgangspflegschaft betraut, ohne hierfür eine verfahrensrechtliche Rechtfertigung zu haben.
Beide Rechtsmittel erwiesen sich als nicht erfolgreich.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, das zu Recht die Einschränkungen des Sorgerechts der Kindesmutter aufgehoben habe. Die Voraussetzungen für eine Verbleibensanordnung in der Pflegefamilie lägen nicht vor.
Eine Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 BGB durch die Kindesmutter könne nicht mehr angenommen werden.
Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen D. vom 3.3.2008 im erstinstanzlichen Verfahren i.V.m. dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen G. vom 18.12.2008 einschließlich der von ihm ergänzend eingeholten Erklärungen des Sachverständigen D. sowie des Chefarztes der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und des Arztes K. sowie des Verhaltens der Kindesmutter seit Mitte 2007 hatte das OLG keinen Zweifel an ihrer Erziehungsfähigkeit. Der Sachverständige D. habe ausgeführt, das Risiko, dass die Mutter erneut drogenabhängig werden könnte und das ihre schizoaffektive Störung Symptome zeige, sei für die Zukunft nicht so wesentlich erhöht, dass eine Gefährdung für Mutter und Kind nahe liegend erscheine. Die psychischen Störungen seien aufgrund der medikamentösen Behandlung kein Hinderungsgrund für eine Betreuung und Versorgung des Kindes durch die Kindesmutter. Auch im familiären, beruflichen und sonstigen sozialen Umfeld sei der Kindesmutter nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil: Die von dem Sachverständigen G. diesbezüglich Befragten hätten sich alle positiv über die Kindesmutter geäußert.
Die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Sorgerechts und eine Verlängerung der Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB lägen nicht vor.
Die Herausgabe des Kindes an die Eltern dürfe nur dann versagt werden, wenn durch die Wegnahme von der Pflegeperson das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes gefährdet würde. Nur unter dieser Voraussetzung habe die Verbleibensanordnung Vorrang.
Bei der Prüfung einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB verlange die Verfassung eine Auslegung der Regelung, die sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Rechnung trage. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sei bei der Auslegung von gesetzlichen Regelungen im Bereich des Art. 6 Abs. 2 GG in gleicher Weise wie bei Entscheidungen des Gesetzgebers zu beachten, dass das Wohl des Kindes letztendlich bestimmend sein müsse. Das Verhältnis des Elternrechts zum Persönlichkeitsrecht des Kindes werde durch die besondere Struktur des Elternrechts geprägt.
Es entspreche auch grundsätzlich dem Kindeswohl, wenn sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern befinde, denn die Erziehung oder Betreuung eines minderjährigen Kindes durch Vater und Mutter innerhalb einer harmonischen Gemeinschaft gewährleiste am ehesten, dass das Kind zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit heranwachse (vgl. BVerfGE 56, 363 ff., 395).
Dieser Idealzustand sei nicht immer gegeben und liege dann nicht vor, wenn Kinder in einer Pflegefamilie aufwüchsen. Dabei könne die Begründung des Pflegeverhältnisses auf einem freiwilligen Entschluss der Eltern oder des allein sorgeberechtigten Elternteils beruhen oder behördlich angeordnet sein. Unabhängig von der Art ihres Zustandekommens sei in Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG anzustreben, Pflegeverhältnisse nicht so zu verfestigen, dass die leiblichen Eltern mit der Weggabe in nahezu jedem Fall den dauernden Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssten (Beschluss des BVerfG vom 14.4.1987, BVerfGE 75, 201 ff. = NJW 1988, 125 ff.; juris-Veröffentlichung Rz. 55 f.).
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 02.04.2009, 15 UF 104/08