Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe des in einer Pflegefamilie befindlichen Kleinkindes an die leibliche Mutter
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der Kindesinteressen des bei Pflegeeltern untergebrachten Kindes und des Elternrechts der leiblichen Eltern muss auch für die Prüfung einer Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB das Wohl des Kindes bestimmend sein.
2. Die Prüfung der Herausgabevoraussetzungen (Herausgabe des Kindes von den Pflegeeltern an die leibliche Mutter) erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Bindungstheorie und der Tiefenpsychologie sowie der familiären, beruflichen, sozialen und gesundheitlichen Situation der leiblichen Mutter.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2; BGB § 1632 Abs. 1, 4, § 1666; SGB VIII § 27
Verfahrensgang
AG Eckernförde (Beschluss vom 18.07.2008; Aktenzeichen 8 F 109/07) |
Tenor
I. Die Beschwerden des Jugendamtes des Kreises Rendsburg Eckernförde und der Pflegeeltern gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Eckernförde vom 18.7.2008 werden zurückgewiesen.
II. Die Herausgabe des Kindes E an die Kindesmutter wird angeordnet.
III. Gerichtskosten einschließlich Gerichtsauslagen werden für beide Rechtszüge nicht erhoben.
Ihre jeweiligen außergerichtlichen Auslagen in beiden Rechtszügen haben die Kindesmutter, die Pflegeeltern und das Jugendamt jeweils selbst zu tragen.
Der Gegenstandswert beträgt 6.000 EUR.
Gründe
A. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen mit folgenden Ergänzungen:
Die Kindesmutter wurde am 11.1.1979 geboren. Nach ihrem Realschulabschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin und erlernte anschließend den Beruf der Altenpflegerin. Nach einem Anerkennungsjahr im P-Heim in Kiel im Jahr 2000 arbeitete sie dort ein weiteres halbes Jahr. Im Sommer 2007 kehrte sie an ihre ehemalige Arbeitsstelle zurück und sie übt jetzt dort eine halbschichtige Tätigkeit als Altenpflegerin auf einer gerontopsychiatrischen Station aus. Zu ihrer Drogenvergangenheit hat sie angegeben, sie habe mit dem 13. Lebensjahr begonnen, zu "kiffen" und Alkohol zu trinken. Im Alter von 15/16 Jahren habe sie vor allem am Wochenende Ecstasy und Speed konsumiert. Ab 20 Jahren habe sie Benzodiazepine und Kokain, ab 2001 auch Heroin zu sich genommen, dies aber nur geschnupft, nicht gespritzt. 2004 bis 2006 sei der Konsum intensiver geworden. Sie habe im Grunde genommen alles ausprobiert. Sie habe bestimmt 10 Entgiftungen hinter sich. Nachdem sie mit E schwanger geworden sei, sei sie in ein Methadonprogramm aufgenommen worden.
Die Kindesmutter war psychisch erkrankt. Schon als Kind litt sie an Verhaltensstörungen. Zurzeit leidet sie unter einer schizoaffektiven Störung, die aktuell unter laufender psychiatrischer Behandlung symptomfrei erscheint.
Das AG hat zu den Fragen der Erziehungsfähigkeit und einer Umsetzung E's in den Haushalt der Kindesmutter Gutachten eingeholt. Wegen der Ergebnisse wird auf die Gutachten der Sachverständigen B vom 6.2.2008 (Bl. 61-85) und des Psychiaters D vom 3.3.2008 (Bl. 88-104) verwiesen.
In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Beschluss hat das AG die einstweiligen Anordnungen vom 13.02. und 30.3.2007 betreffend die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und dann der gesamten Personensorge aufgehoben und angeordnet, dass E bis zum 31.8.2008 im Haushalt der Pflegeeltern bleibt. In dem im Parallelverfahren 15 UF 105/08 angefochtenen Beschluss vom 18.7.2008 (8 F 416/07) hat das AG unter Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 30.7.2007 (Umgang für die Kindesmutter alle 14 Tage für eine Stunde ab Kalenderwoche 33) erweiterte Umgangsregelungen getroffen und die Bestimmung der Einzelheiten der Umgangskontakte unter diesbezüglicher Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die damalige Verfahrenspflegerin übertragen.
Die Pflegeeltern machen mit ihrer Beschwerde geltend, aus der Tenorierung des angefochtenen Beschlusses ergebe sich zwar, dass das Gericht noch eine Schlussentscheidung fällen möchte. Es befriste den Verbleib des Kindes im Haushalt aber auf den 30.8.2008.
Es bestehe die Befürchtung, dass das Kind zur Unzeit aus seinen Bindungsverhältnissen gelöst werde. Dies ergebe sich auch aus dem den Pflegeeltern zur Kenntnis gebrachten und für sie nicht angreifbaren Beschluss vom gleichen Tage im Verfahren 8 F 416/07. Im Übrigen ergebe sich aus dem Beschluss, dass das Gericht offensichtlich für die Umsetzung des Kindes schon einen Zeitrahmen im Auge habe.
Eine Verletzung der Rechtsposition des Kindes ergebe sich aus der Missachtung des § 1632 Abs. 4 BGB durch die Sachverständige und in der Folge durch das Gericht. Dies ergebe sich bereits aus dem Schriftsatz vom 14.3.2008. Das Kind sei im Mutterleib körperlich misshandelt worden. Es sei am 31.1.2007 mit Methadonentzugserscheinungen geboren. Dieses sei das erste Trauma des Kindes. Als Folge der Suchterkrankung der...