Leitsatz

Der Anspruch auf Herausgabe des Schließplans und der Schließkarte ist gemeinschaftsbezogen. Der Anspruch auf Herausgabe von Energieausweisen ist weder gemeinschaftsbezogen noch kann er vergemeinschaftet werden.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3; BGB § 242

 

Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt von Bauträger B Herausgabe mehrerer Kopien des Energieausweises an näher bezeichnete Wohnungseigentümer sowie die Herausgabe des Schließplans und der Schließkarte.

 

Die Entscheidung

Die Klage hat in Bezug auf die Energieausweise keinen Erfolg, im Übrigen schon.

Kopien der Energieausweise

  1. Bei dem Anspruch auf Herausgabe von Kopien an Wohnungseigentümer handle es sich – sofern ein solcher Anspruch sachlich bestehe – um einen nicht gemeinschaftsbezogenen Individualanspruch der einzelnen Wohnungseigentümer. Zu dessen Geltendmachung sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht befugt.
  2. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz getroffene Beschluss ändere nichts. Zwar könnten die Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ermächtigen, Individualansprüche, die einzelnen Wohnungseigentümern zustünden, im Wege gewillkürter Prozessstandschaft durchzusetzen. Zur Durchsetzung nicht gemeinschaftsbezogener Individualansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer seien aber individuelle Aufträge und Vollmachten der einzelnen Eigentümer erforderlich. Ein Mehrheitsbeschluss sei rechtlich unzulässig (Hinweis auf BGH v. 10.7.2015, V ZR 169/14, NJW 2016 S. 53 Rn. 5). Auch wenn sämtliche Wohnungseigentümer, an welche nach dem Begehren der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Energieausweis übergeben werden soll, dem Beschluss zugestimmt haben sollten, sei in der Versammlung eine Abstimmung "im Gremium" erfolgt und damit gerade nicht eine individuelle Ermächtigung einzelner Eigentümer, welche jeweils gesondert hätte ausgesprochen werden müssen.

Herausgabe des Schließplans und der Schließkarte

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne hingegen Herausgabe des Schließplans und der Schließkarte für die in der Wohnungseigentumsanlage installierte Schließanlage verlangen.
  2. Der Anspruch sei gemeinschaftsbezogen. Es liege im Interesse aller Wohnungseigentümer, dass Nachschlüssel nicht durch jeden Wohnungseigentümer angefertigt werden können, sondern allenfalls durch den Verwalter. Es liege damit ein Fall der geborenen Ausübungsbefugnis aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG vor.
  3. Der Anspruch auf Herausgabe der Schließkarte und des Schließplans für die Schließanlage, welche zur Fertigung von Nachschlüsseln erforderlich seien, sei als Nebenpflicht im Wege der Auslegung den Bauträgerverträgen zu entnehmen. Es komme hierfür nicht darauf an, ob der Bauträger aus den Bauträgerverträgen die Herstellung einer Schließanlage schuldete oder ob er in vertragsgemäßer Weise auch jeweils gesonderte Schlösser hätte erstellen können. Nachdem eine Schließanlage tatsächlich erstellt sei, könne der Bauträger nach Übergabe des Objekts nicht die Möglichkeit behalten, Nachschlüssel zu fertigen. Liege eine Schließanlage tatsächlich vor, so sei der Besitz von Schließkarte und Schließplan für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von Interesse, während deren Vernichtung für den Bauträger gegenüber der Aushändigung mit keinerlei Vorteilen verbunden sei. Schon wegen des Schikaneverbots (§ 226 BGB) komme die Vernichtung durch den Bauträger daher als taugliche Alternative zur Aushändigung nicht in Betracht.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Nach § 16 Abs. 2 EnEV muss der Bauträger dem Erwerber eines Wohnungseigentums unverzüglich nach Abschluss des Kaufvertrags den Energieausweis des Gebäudes oder eine Kopie hiervon übergeben.
  2. Ob der Bauträger den Erwerbern hingegen die Bauunterlagen herausgeben muss, ist umstritten:

    • Teilweise wird ein Anspruch des Erwerbers auf Herausgabe der das Bauvorhaben betreffenden Pläne und Unterlagen aus § 444 BGB, also aus dem Gesetz abgeleitet (OLG Hamm v. 30.9.1999, 22 U 88/99, NJW-RR 2000 S. 867; LG Detmold v. 14.1.1969, 3 O 65/67, NJW 1969 S. 2144; AG Traunstein v. 20.4.1988, 310 C 224/88, NJW-RR 1989 S. 598).
    • Teilweise wird die Auffassung vertreten, es ergebe sich ein Anspruch auf Herausgabe "aus der Übernahme von Planungs- und Architektenleistungen im Rahmen des Bauträgervertrages" bzw. aus einer aus § 242 BGB abzuleitenden Nebenpflicht des Bauträgers (OLG Köln v. 13.5.2015, 11 U 96/14; OLG Köln v. 6.8.1999, 19 U 176/98, NZBau 2000 S. 78). Diesen Anspruch scheint das Oberlandesgericht im aktuellen Fall im Auge zu haben.
    • Nach anderer Ansicht besteht kein genereller Anspruch des Erwerbers von Wohnungseigentum gegen den Bauträger auf Herausgabe von Bau- und Planungsunterlagen. Herausgabe könne nur dann verlangt werden, wenn entweder eine entsprechende Abrede in den Erwerbsvertrag aufgenommen worden sei oder wenn ein besonderes, konkret begründetes rechtliches Interesse des Erwerbers bestehe (OLG München v. 15.10.1991, 9 U 2958/91, BauR 1992 S. 95; LG Krefeld v. 11.12.2008, 2 O 56/08, IBR 2009 S. 276...

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