Leitsatz (amtlich)
Den Bauträger trifft auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung die Pflicht, die Schließkarte und den Schließplan für die Schließanlage eines Mehrfamilienhauses an die Wohnungseigentümergemeinschaft herauszugeben.
Die Geltendmachung dieses Anspruchs fällt in die geborene Ausübungszuständigkeit des Verbands.
Normenkette
BGB § 242; WEG § 10 Abs. 6 S. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 15.04.2016; Aktenzeichen 26 O 199/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 26. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 15.04.2016 teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin die Herausgabe der Schließkarte und des Schließplans für das Objekt XXXstraße X AXXX, verlangt hat. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 9.148,97 EUR
Gründe
A. Von der Darlegung des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird gemäß § 540 Abs. 1 Abs. 2 iVm § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.
I. Das LG hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin nicht Ersatz für die Kosten verlangen kann, welche ihr durch die Inanspruchnahme des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. HXXX erwachsen sind.
Nach ständiger Rechtsprechung sind beim VOB/B-Vertrag Kosten für ein Gutachten, welches zu Ursache und Ausmaß eingetretener und noch zu erwartender Mängel Stellung nimmt, als Mangelfolgeschaden gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B a.F. (§ 13 Abs. 7 VOB/B n.F.) ersatzfähig, wobei der Schaden von vornherein neben dem Nachbesserungsanspruch besteht, so dass der Ersatzanspruch keine Fristsetzung gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B a.F. (§ 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B n.F.) voraussetzt (BGH, Urteil vom 13.09.2001 - VII ZR 392/00, NJW 2002, 141 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2007 - 7 U 69/07, juris Rn. 48; vom 18.12.2012 - 10 U 134/12, juris Rn. 74; OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2014 - 12 U 58/14, NZBau 2015, 103 Rn. 21). Für den BGB-Vertrag gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25.05.2011 - 9 U 122/10, NJW-RR 2011, 1242, 1243). Gutachterkosten sind aber nicht allein im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs ersatzfähig. Im Kaufrecht ist geklärt, dass die Verpflichtung des Verkäufers gemäß § 439 Abs. 2 BGB, die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten zu tragen, eine eigenständige Anspruchsgrundlage zu Gunsten des Käufers darstellt, welche Sachverständigenkosten umfasst, die zur Vorbereitung von Gewährleistungsansprüchen aufgewandt worden sind (BGH, Urteil vom 30.04.2014 - VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 14 ff.). Dies entspricht der Rechtsprechung zu den gleichlautenden Regelungen in § 633 Abs. 2 BGB a.F. (BGH, Urteil vom 17.02.1999 - X ZR 40/96, NJW-RR 1999, 813, 814) sowie in § 476a BGB a.F. (BGH, Urteil vom 23.01.1991 - VIII ZR 122/90, NJW 1991, 1604, 1607). Für die parallele Regelung in § 635 Abs. 2 BGB gilt dies ebenso, so dass Gutachterkosten nach dieser Vorschrift ersatzfähig sein können (BeckOGK/Schmidt, Stand 01.07.2016, § 635 BGB Rn. 43; MünchKomm-BGB/Busche, 6. Aufl., § 635 Rn. 16; BeckOK-BGB/Voit, Stand 01.02.2015, § 635 Rn. 9; Erman/Schwenker, BGB, 14. Aufl., § 635 Rn. 14; jurisPK-BGB/Genius, 7. Aufl., § 635 Rn. 15).
Gutachterkosten sind aber nur dann Kosten der Nacherfüllung (§ 635 Abs. 2 BGB), wenn diese gerade zum Zwecke der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aufgewandt worden sind (vgl. zu § 439 Abs. 2 BGB BGH, Urteil vom 30.04.2014 - VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 14 ff.). Nicht ersatzfähig sind hingegen die Kosten eines Gutachtens, wenn der Gutachter zu dem Zweck beauftragt worden ist, den Auftraggeber ganz allgemein über die Qualität der Bauleistungen zu informieren oder die notwendigen Erkenntnisgrundlagen für das weitere Vorgehen gegen den Auftragnehmer zu verschaffen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.08.2013 - I-22 U 4/13, juris Rn. 7; OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2014 - I-12 U 58/14, NZBau 2015, 103 Rn. 21; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 159). Wenn der Besteller die Bautätigkeit durch einen Architekten begleiten lässt, so handelt es sich damit schon im Ausgangspunkt nicht um Kosten der Nacherfüllung, auch wenn der Zweck der Maßnahme darin bestehen mag, etwaige Mängel zu erkennen und sodann geltend zu machen. Als Nacherfüllungskosten können Gutachterkosten beim BGB-Vertrag daher frühestens dann angesehen werden, wenn der Werkunternehmer nach seiner Auffassung die Leistung im Wesentlichen abgeschlossen und ein abnahmefähiges Werk hergestellt hat, so dass aus seiner Sicht die Erfüllungsphase im Wesentlichen beendet ist. Ist der Unternehmer aber selbst der Auffassung, seine Arbeiten noch gar nicht abgeschlossen zu haben, so sind in diesem Stadium aufgewandte Gutachterkosten des Bestellers "nicht zum Zwecke der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen" au...