Leitsatz
Gegenstand dieser Entscheidung war die in der Praxis bedeutsame Frage, ob durch Stellung eines Verfahrenskostenhilfeantrages in einer Folgesache die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG gewahrt wird.
Sachverhalt
Der Antragsteller hatte mit dem am 19.2.2010 beim AG eingegangenen Schriftsatz vom 15.2.2010 Scheidungsantrag gestellt, der den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 9.8.2010 zugestellt worden war.
Mit Verfügung vom 20.4.2011 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 31.5.2011 anberaumt. Am 21.4.2011 ging der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ein, mit welchem die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen im Scheidungsverbund beabsichtigten Antrag auf nachehelichen Unterhalt beantragt wurde. Das AG stellte diesen Schriftsatz nicht zu, sondern leitete ihn dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers formlos zur Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren zu.
In der mündlichen Verhandlung vom 31.5.2011 wies der Amtsrichter auf seine Rechtsansicht hin, dass er mangels Anhängigkeit des Unterhaltsverfahrens über dieses nicht im Verbund zu entscheiden gedenke. Mit einem am gleichen Tag erlassenen Beschluss hat das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausgeführt, dass der am 21.4.2011 eingegangene Antrag als reines Verfahrenskostenhilfegesuch zu verstehen sei und hierdurch die Folgesache noch nicht anhängig i.S.d. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG geworden sei.
Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde und vertrat die Auffassung, dass das AG die Folgesache nachehelicher Unterhalt zu Unrecht vom Scheidungsverbund abgetrennt und über Scheidung und Versorgungsausgleich entschieden habe. Der am 21.4.2011 eingegangene Schriftsatz stelle keinen bloßen Verfahrenskostenhilfeantrag dar, sondern bereits einen Antrag auf Zahlung des nachehelichen Unterhalts, der damit gleichzeitig anhängig geworden sei.
Das OLG hat den Beschluss des AG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen.
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für begründet. Der von der Antragsgegnerin geltend gemachte nacheheliche Unterhalt gehöre nach § 137 II Nr. 2 FamFG in den Scheidungsverbund, weil die Folgesache vor Ablauf der Frist des § 137 II FamFG anhängig gemacht worden sei. Zwar stelle der Antrag der Antragsgegnerin vom 20.4.2011 einen isolierten Verfahrenskostenhilfeantrag dar, da nach der eindeutigen Gestaltung des Schriftsatzes ein Zahlungsantrag nur für den Fall gestellt werden sollte, dass und soweit Verfahrenskostenhilfe bewilligt werde. Nach Auffassung des OLG reichte dies aus, um eine "Anhängigkeit" der Folgesache i.S.d. § 137 Abs. 2 FamFG herbeizuführen.
Die Gleichbehandlung von auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe angewiesenen Beteiligten mit begüterten Beteiligten spreche eindeutig dafür, bereits die Einreichung eines Verfahrenskostenhilfeantrages ausreichen zu lassen. Während der begüterte Beteiligte den Folgesachenantrag unter Einzahlung des Kostenvorschusses noch gerade im Rahmen der Zwei-Wochen-Frist einreichen könne, müsse der auf Verfahrenskostenhilfebewilligung angewiesene Beteiligte seinen Verfahrenskostenhilfeantrag wesentlich früher stellen, um nach Entscheidung des Gerichts über diesen den Sachantrag anhängig machen zu können. Das würde aber dem Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes zuwiderlaufen, zumal der einen Verfahrenskostenhilfeantrag stellende Beteiligte keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über seinen Antrag habe.
Hinweis
Eine begrüßenswerte Entscheidung des OLG Hamm. Würde man den Verfahrenskostenhilfeantrag zur Wahrung der Frist des § 137 II FamFG nicht ausreichen lassen, liefe dies tatsächlich auf eine Benachteiligung von auf Verfahrenskostenhilfe angewiesenen unbemittelten Beteiligten hinaus.
Zur Vermeidung einer solchen Ungleichbehandlung mit bemittelten Beteiligten muss entweder bei Eingang eines Verfahrenskostenhilfeantrages für eine Folgesache ein bereits anberaumter Scheidungstermin wieder aufgehoben und bis zur Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag vertagt werden oder im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 137 II FamFG ein entsprechender Verfahrenskostenhilfeantrag als zur Fristwahrung ausreichend erachtetet werden.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 17.10.2011, II-6 UF 144/11