Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeit. Dienstdauer. Rufbereitschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung von Rufbereitschaften stellt, sofern sie von Behörden/Dienststellen des Landes Hessen verfügt wird, keine die Dienstdauer beeinflussende allgemeine Regelung dar und ist mithin nicht mitbestimmungspflichtig.

 

Normenkette

HPVG § 74 Abs. 1 Nr. 9

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 30.01.1996; Aktenzeichen 6 P 50.93)

 

Tatbestand

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Frage, ob die Einführung von Rufbereitschaften in Betrieben der Philipps-Universität Marburg mitbestimmungspflichtig ist.

Im Jahre 1984 führte der Beteiligte zu 1. im Betrieb „Lüftung, Kälte und Sanitärtechnik” probeweise mit Zustimmung des Antragstellers für ein Jahr eine Rufbereitschaft ein, die in der Folgezeit jeweils jährlich befristet verlängert wurde. Für die technischen Betriebe „Nachrichtentechnik” und „Starkstrom” beabsichtigte der Beteiligte zu 1. auf Wunsch der dort tätigen Beschäftigten ebenfalls die Einführung einer Rufbereitschaft.

Um in Zukunft eine Veränderung zum Nachteil der Betroffenen zu verhindern, wandte sich der Antragsteller am 18. Januar 1989 an den Beteiligten zu 1. und beantragte, die bestehende Regelung in eine Dienstvereinbarung aufzunehmen; er erwarte vom Beteiligten zu 1. eine entsprechende Vorlage. Mit Schreiben vom 23. März 1989 schlug der Beteiligte zu 1. dem Antragsteller vor, die Angelegenheit bis August 1989 zurückzustellen. Der Antragsteller, der mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden war, beantragte am 23. März 1989 beim Beteiligten zu 2. die Einleitung des Stufenverfahrens. Dieses Begehren lehnte der Beteiligte zu 2. am 6. April 1989 ab und führte zur Begründung aus, die Anordnung der Rufbereitschaft sei nicht mitbestimmungspflichtig, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rufbereitschaft weder Arbeitszeit noch Dienstbereitschaft sei.

Am 13. Juli 1989 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet.

Er hat vorgetragen, bei der Anordnung der Rufbereitschaft handele es sich um eine sonstige die Dienstdauer beeinflussende allgemeine Regelung im Sinne von § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG. Diese Regelung weiche von der entsprechenden Vorschrift des Bundespersonalvertretungsgesetzes ab, so daß für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 75 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 BPersVG nicht herangezogen werden könne. Die im BPersVG geregelten Mitbestimmungstatbestände beträfen lediglich die die Arbeitszeit unmittelbar erfassenden Tatbestände. Das Wesen der Rufbereitschaft bestehe darin, daß sich der Dienstleistende in der Rufbereitschaftsphase nicht in der Dienststelle aufhalte, sich jedoch zur Verfügung halten müsse, um gegebenenfalls zur Dienstleistung abberufen zu werden. Die Rufbereitschaft finde außerhalb der üblichen Arbeitszeit nach vorgegebenen Dienstplänen statt. Indem der Gesetzgeber in § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG sowohl den Begriff „Arbeitszeit” als auch den Begriff „Dienstdauer” verwende, habe er klar zum Ausdruck gebracht, daß Arbeitszeit und Dienstdauer nicht identisch seien. Der Begriff der „Dienstdauer” diene zur Lückenschließung und erfasse damit auch Rufbereitschaften.

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Einführung von Rufbereitschaftsdiensten durch den Beteiligten zu 1. mitbestimmungspflichtig ist;
  2. festzustellen, daß der Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, das Stufenverfahren über den Antrag des Antragstellers vom 18. Januar 1989 fortzusetzen.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

den Antrag zu 1. abzulehen.

Er hat hervorgehoben, daß die Teilnahme an der Rufbereitschaft freiwillig sei und daß grundsätzlich auch die Möglichkeit bestehe, aus der Rufbereitschaft auszuscheiden. Mithin liege keine allgemeine Regelung vor, da nicht alle Beschäftigten der Dienststelle erfaßt würden. Eine Beteiligung des Antragstellers an einzelvertraglichen Maßnahmen widerspreche seinem kollektiven Schutzauftrag.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er hat vorgetragen, der Begriff der Dienstdauer sei inhaltsgleich mit dem der Arbeitszeit. Sowohl im Hessischen Beamtengesetz als auch in der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten würden die Begriffe Arbeitszeit und Dienst ohne inhaltliche Unterscheidung verwandt. Dasselbe müsse auch für das HPVG gelten, zumal im Zeitpunkt der Verabschiedung des HPVG im Jahre 1988 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rufbereitschaft bekannt gewesen sei. Da kein Fall der Mitbestimmung gegeben sei, habe er gemäß § 70 Abs. 6 HPVG das Stufenverfahren abbrechen dürfen.

Mit am 6. Juni 1991 beratenem Beschluß hat das Verwaltungsgericht Gießen, Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land), zum einen festgestellt, daß die Einführung von Rufbereitschaften durch den Beteiligten zu 1. insoweit mitbestimmungspflichtig sei, als es nicht um die Frage gehe, ob überhaupt Rufbereitschaft eingeführt werde. Zum anderen hat das Gericht festgestellt, daß der Beteili...

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