Entscheidungsstichwort (Thema)
Entsendungsrecht. Gremium. Vorstellungsgespräch
Leitsatz (amtlich)
Das Recht des Personalrats, bei Auswahlverfahren zur Besetzung eines Amtes mit Funktionsbezeichnung einen Vertreter in das Gremium zu entsenden, besteht auch in Fällen, in denen die Besetzung nicht mitbestimmungspflichtig ist.
Unter einem Gremium im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 HPVG ist eine Personenmehrheit zu verstehen, die gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen hat. Führen der Dienststellenleiter oder sein Vertreter zusammen mit der Frauenbeauftragten und dem Vertrauensmann bzw. der Vertrauensfrau der Schwerbehinderten ein Vorstellungsgespräch, so ist dieser Personenkreis als ein Gremium anzusehen.
Normenkette
HPVG § 62 Abs. 3 S. 2
Tatbestand
I.
Der Antragsteller will die gerichtliche Feststellung erreichen, dass er bei Vorstellungsgesprächen mit Bewerbern um ein Amt mit Funktionsbezeichnung, das kein Beförderungsamt darstellt und mit dem auch keine höher zu bewertende Tätigkeit übertragen wird, zu beteiligen ist, auch wenn das Gremium, vor dem das Vorstellungsgespräch stattfindet, nicht abstimmungsberechtigt ist.
Anlass für das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren gab die dienststelleninterne Ausschreibung des Postens „Leiter/in DV-Organisation” im Dezernat III – Wirtschaft -. Mit einem Teil der vier nach A 11 besoldeten Bewerber wurden im Beisein eines Vertreters des Personalrats Vorstellungsgespräche geführt. Zu den weiteren Vorstellungsgesprächen wurde der Personalrat nicht mehr eingeladen, weil die Besetzung des Dienstpostens nicht nach § 77 Abs. 1 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes – HPVG – mitbestimmungspflichtig war. An diesen Vorstellungsgesprächen nahmen nur die Frauenbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung teil.
Wegen der Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Rechts des Personalrats, an Vorstellungsgesprächen in Auswahlverfahren zur Besetzung eines Amtes mit Funktionsbezeichnung in Fällen teilzunehmen, in denen kein Mitbestimmungsrecht besteht, leitete der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein. Das Verwaltungsgericht Gießen lehnte mit Beschluss vom 26. März 1998 den Antrag ab festzustellen, dass dem Antragsteller bei Vorstellungsgesprächen im Rahmen eines geregelten Auswahlverfahrens mit Bewerbern um ein Amt mit Funktionsbezeichnung, das nicht ein Beförderungsamt darstellt und mit dem auch nicht eine höher zu bewertende Tätigkeit übertragen wird, ein Beteiligungsrecht zusteht.
Es führte aus, entgegen der Auffassung des Antragstellers lasse sich aus § 62 Abs. 3 Satz 2 HPVG kein Teilnahmerecht des Personalrats herleiten. Diese Vorschrift sehe vor, dass bei Auswahlverfahren zur Besetzung eines Amtes mit Funktionsbezeichnung der Personalrat einen Vertreter in das „Gremium” entsende. Das reine Zusammentreffen der für die Personalentscheidung befugten Person, der Frauenbeauftragten und der Schwerbehindertenvertretung, erfülle nicht den Tatbestand eines Gremiums. Voraussetzung sei vielmehr, dass es sich beispielweise um einen Kreis von Personen handele, dem eine Vorauswahl übertragen worden sei, so dass die Mitglieder des Personenkreises gleichberechtigt seien. Für das Zusammentreffen der Personen sei nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes ein gemeinschaftlicher Rahmen zu fordern, wie z. B. die Abstimmungsfähigkeit. Seien die Frauenbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung nur im Rahmen eines Beratungsrechts bei den Vorstellungsgesprächen anwesend, dann fehle ein Mitspracherecht im Sinne einer Mitentscheidungsbefugnis, so dass sich nicht von einem Gremium ausgehen lasse.
Gegen diesen am 15. April 1998 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 15. Mai 1998 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, der Begriff des „Gremiums” sei gegenüber einem Einzelnen abzugrenzen, der allein ein Gespräch mit einem Bewerber führe. Deswegen sei jede Art von Prüfungs- und Auswahlkommission, die mindestens zwei Mitglieder umfasse, als Gremium im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 HPVG anzusehen. Die Mitglieder müssten auch nicht abstimmungsfähig oder abstimmungsberechtigt sein. Es genüge, dass sie beratende Funktion hätten. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Es entspreche im Übrigen dem Gebot der Transparenz, wenn die Personalvertretung durch die Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen über die gleichen Informationen verfüge wie die Dienststelle. Soweit der Hessische Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 30. April 1986 im Zusammenhang mit der Frage der Vereinbarkeit des § 57 Abs. 3 HPVG 1984 mit der Verfassung des Landes Hessen davon ausgegangen sei, dass ein abstimmungsfähiges Gremium mindestens drei Mitglieder haben müsse, sei dies durchaus richtig, aber für Gremien ohne Stimmrecht unmaßgeblich.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 26. März 1998 zu ändern und festzustellen, dass der Antragsteller berechtigt ist, einen Vertreter zu Vorstellung...