Entscheidungsstichwort (Thema)

Eheschließung mit deutscher Staatsangehörigen noch während des Asylverfahrens. Aufenthaltsgenehmigungsverfahren. dringende persönliche Gründe. Eheliche Lebensgemeinschaft. Ausländerrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Dringende persönliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG können vorliegen, wenn dem Ausländer die Durchführung des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens vom Inland aus gestattet ist.

 

Normenkette

AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 3; DVAuslG § 9 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG Gießen (Beschluss vom 13.09.2004; Aktenzeichen 9 G 2578/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 13. September 2004 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abgeändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller vor Bestandskraft der Entscheidung über den Aufenthaltsgenehmigungsantrag vom 21. Mai 2003 zu ergreifen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und hat im Sinne des Tenors Erfolg.

Allerdings kann der wörtlich gestellte Beschwerdeantrag (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), unter Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27. Oktober 2003 gegen Ziffer 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 13. Oktober 2003 anzuordnen, nicht zum Erfolg führen. Denn ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis ist hier nicht statthaft, weil die Versagung nicht zugleich ein kraft Gesetzes eingetretenes fiktives Aufenthalts- oder Bleiberecht beendet hat (siehe Hess. VGH, 30.09.1992 – 12 TG 947/02 – InfAuslR 1993, 67) und somit durch die Ablehnung des Antrags dem Antragsteller keine Rechtsposition entzogen worden ist. Der Aufenthalt des Antragstellers galt nämlich nach der Stellung seines Antrags auf Erteilung seiner Aufenthaltserlaubnis vom 21. Mai 2003 weder als erlaubt (§ 69 Abs. 3 AuslG) noch als geduldet (§ 69 Abs. 2 AuslG). Denn die allein in Betracht kommende fiktive Duldung nach § 69 Abs. 2 AuslG scheitert daran, dass der Antragsteller aufgrund eines sonstigen Verwaltungsaktes, nämlich der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamtes für die Ankerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11. Juni 2001, ausreisepflichtig ist ohne bereits ausgereist zu sein (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG). Bestandskraft oder Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis ist dabei nicht erforderlich (siehe Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 69 AuslG Rdnr. 10).

Der Senat versteht das Beschwerdebegehren und den Beschwerdeantrag aber sinngemäß dahin (§ 88 VwGO), dass hilfsweise der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Untersagung von Abschiebungsmaßnahmen bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Aufenthaltsgenehmigungsantrag des Antragstellers begehrt wird. So verstanden hat die Beschwerde Erfolg.

Der Antrag auf Abänderung der im vorangegangenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Aktenzeichen Verwaltungsgericht Gießen 9 G 5467/03 u. Hess. VGH 12 TG 716/04) ist zulässig, weil sich die den damaligen Entscheidungen zu Grunde liegende Sachlage geändert hat (§ 80 Abs. 7 VwGO analog, siehe zur analogen Anwendung dieser Vorschrift im Verfahren nach § 123 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 VwGO Rdnr. 35). Aufgrund der Ermittlungen in dem gegen den Antragsteller geführten Strafverfahren, das mangels hinreichendem Tatverdacht (§ 170 Abs. 2 StPO) eingestellt worden ist, spricht anders als vorher jetzt Überwiegendes dafür, dass zwischen dem Antragsteller und seiner deutschen Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 6 GG und § 17 Abs. 1 AuslG besteht. Nach den Ermittlungen der Polizei im Strafverfahren war der Antragsteller im Dezember 2003 anders als zu früheren Zeitpunkten zumindest einem Mitbewohner des Mehrfamilienhauses bekannt und dieser Mitbewohner gab an, dass der Antragsteller spät abends jeweils nach Hause kommt und die Wohnung früh morgens wieder verlässt. Für den Zeitraum ab 1. Oktober 2003 zumindest kann dies mit der Arbeit als Ausfahrer einer Pizzeria erklärt werden. Die Ausländerbehörde hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, in welcher Wohnung der Antragsteller, wenn nicht in der angegebenen Ehewohnung, übernachtet bzw. wohnt. Darüber hinaus hat eine der Erzieherinnen des Kindergartens, den der Sohn der Ehefrau des Antragstellers besucht, angegeben, sie habe den Antragsteller ab November 2003 circa sieben bis acht Mal im Kindergarten gesehen, wenn er in Begleitung seiner Ehefrau das Kind zum Kindergarten brachte oder abholte. Auch diese Beobachtung spricht dafür, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Weiter hat der Arbeitgeber des Antragstellers in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erklä...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?