Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausweisung eines Ausländers, der mit einer deutschen Staatsangehörigen türkischer Abstammung verheiratet ist. Ehe. deutsche Staatsangehörige. türkische Abstammung. Ausländerrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung, ob eine Ausnahme vom Fall einer Regelausweisung vorliegt, ist der Umstand, dass die Ausweisung die Fortführung der Ehe im Inland unmöglich macht, auch dann zu berücksichtigen, wenn erst diese Lebensgemeinschaft zur Herabstufung der Ist-Ausweisung zu einer Regelausweisung geführt hat.
2. Der grundsätzliche Anspruch eines deutschen Staatsangehörigen auf Führung einer Ehe im Inland wird nicht relativiert durch den Umstand seiner ausländischen Abstammung.
3. Bei der Ermessensausübung nach §§ 23 Abs. 3, 17 Abs. 5 AuslG ist auch die Schutzwirkung des § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG zu beachten.
Normenkette
AuslG § 45 Abs. 2, § 47 Abs. 1-2, § 48 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 6
Verfahrensgang
VG Gießen (Beschluss vom 13.05.2003; Aktenzeichen 9 G 15/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird – unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gießen vom 13. Mai 2003 – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 19. Dezember 2002 insoweit angeordnet, als in dieser Verfügung die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt und die Abschiebung angedroht worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsteller und der Antragsgegner haben – auch insoweit unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses – jeweils die Hälfte der Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO), aber nur zum Teil begründet.
Die Beschwerde ist zulässig, obwohl der Antragsteller im Beschwerdeverfahren (lediglich) den Antrag gestellt hat, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 13. Mai 2003 aufzuheben. Damit hat der Antragsteller noch dem Erfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, wonach die Beschwerdebegründung einen „bestimmten Antrag” enthalten muss. Denn aus dem gestellten Antrag lässt sich noch hinreichend deutlich entnehmen, dass der Antragsteller seinen erstinstanzlich gestellten Antrag, der in vollem Umfang abgelehnt worden war, unverändert weiterverfolgen will (siehe zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags Hess. VGH, 25.09.2002 – 12 TG 2216/02.A –, EZAR 625 Nr. 3).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 16. Dezember 2002 geht jedoch ins Leere, und insoweit fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis, als dieser Antrag sich auf die in der ausländerbehördlichen Verfügung enthaltene Ausweisung bezieht. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend herausgestellt, dass der Widerspruch gegen die Ausweisung bereits gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet. Trotz dieses Hinweises hat der Antragsteller seinen Beschwerdeantrag nicht entsprechend modifiziert, und es ist – wie dargestellt – davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt, weil nur mit diesem für den Antragsteller günstigen Verständnis dem Erfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt wird.
Die Beschwerde ist jedoch begründet, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in der Verfügung vom 16. Dezember 2002 enthaltene Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung und der Abschiebungsandrohung begehrt. In diesem Umfang ist aufgrund der Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) festzustellen, dass das Verwaltungsgericht den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt sich die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtmäßig dar, und in dieser Situation erscheint es unter Berücksichtigung der hier gegebenen besonderen persönlichen Verhältnisse geboten, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug einstweilen zurückzustellen, bis im Widerspruchsverfahren und einem eventuell anschließenden Klageverfahren endgültig über die Anfechtung des ausländerbehördlichen Bescheids entschieden ist (zu der insoweit anzustellenden Interessenabwägung vgl. BVerfG, 21.03.1985 – 2 BvR 1642/83 –, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 – 1 BvR 23,155/73 –, BVerfGE 35, 382; BVerfG – Kammer –, 12.09.1995 – 2 BvR 1179/95 –; Hess. VGH, 09.11.1995 – 12 TG 2783/95 –; Hess. VGH, 22.09.1988 – 12 TH 836/88 –, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).
Der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kann im derzeitigen Verfahrensstadium der besondere Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG nicht entgegengehalten werden. Wenngleich die verfügte Ausweisung gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG ungeachtet der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs wirksam geworden ist, erg...