Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuzahlungen zur Krankenversicherung aus dem Sozialhilfe-Regelsatz. Anordnungsgrund. Bedarfsgemeinschaft. Belastungsgrenze. Krankenversicherung. Regelsatz. Sozialhilfe. Zuzahlung. Sozialhilferechts
Leitsatz (amtlich)
Die Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung sind nach der Neuregelung durch das GKV-Modernisierungsgesetz ab dem 1. Januar 2004 von Sozialhilfeempfängern, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, aus dem ihnen gewährten Regelsatz bis zu der gesetzlich festgelegten Belastungsgrenze zu leisten. Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zum Ausgleich dieser Mehrbelastung besteht grundsätzlich auch dann nicht, wenn die Zuzahlungen bereits innerhalb eines kurzen Zeitraumes die Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V erreichen.
Auch bei Annahme eines Anspruchs auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe aus Sozialhilfemitteln besteht ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls dann nicht, wenn der ungedeckte Bedarf sich nur auf einen Monat bezieht und weniger als 5 v.H. der gewährten Regelleistungen der Sozialhilfe beträgt. Dabei ist im Falle einer Bedarfsgemeinschaft mit Familienangehörigen (hier: Eltern und vier Kinder) die gesamte ihr gewährte Regelleistung heranzuziehen, weil sich auch die Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft bezieht.
Normenkette
BSHG §§ 15a, 15b, 21-22; RegelsatzVO § 1; SGB V § 62; VwGO § 123
Verfahrensgang
VG Kassel (Beschluss vom 10.02.2004; Aktenzeichen 7 G 56/04) |
Tenor
Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insoweit eingestellt, als es die Verpflichtung des Antragsgegners auf Gewährung einer über den Betrag von 33,84 EUR hinausgehenden Beihilfe zum Gegenstand hatte.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. Februar 2004 – 7 G 56/04 – ist insoweit wirkungslos, als damit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, den Antragstellern ein über den Betrag von 33,84 EUR hinausgehendes Darlehen zu bewilligen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der genannte Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel insoweit aufgehoben, als er nicht nach den vorstehenden Ausführungen wirkungslos ist, und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Antragsteller haben die Kosten des gesamten Verfahrens in erster und zweiter Instanz zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Nachdem die Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. März 2004 und der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7. April 2004 übereinstimmend das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt haben, soweit damit die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners auf Gewährung einer Beihilfe aus Sozialhilfemitteln über den Betrag von 33,84 EUR hinaus begehrten, ist dieser Teil des Verfahrens entsprechend § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Zugleich ist zur Klarstellung auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss entsprechend der Vorschrift des § 269 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) insoweit wirkungslos geworden ist, als damit der Antragsgegner zur Gewährung einer darlehensweisen Beihilfe über den Betrag von 33,84 EUR hinaus verpflichtet worden ist.
Soweit der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel nicht nach den vorstehenden Ausführungen wirkungslos ist, ist er auf die Beschwerde des Antragsgegners hin aufzuheben.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 480 mit umfangreichen Nachweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung auch des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs). Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – erst nach ergangener einstweiliger Anordnung durch das Verwaltungsgericht während des Beschwerdeverfahrens Ereignisse eintreten, die nunmehr das Vorliegen des Anordnungsanspruchs und/oder des Anordnungsgrundes entfallen lassen (HessVGH, Beschluss vom 3. Dezember 1982 – 9 TG 107/82 –, FEVS 32, 243; HessVGH, Beschluss vom 22. April 1992 – 6 S 435/92 –, NVwZ-RR 1992, 442). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.
Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner einen Ausgleich für die von ihnen zu leistenden Zuzahlungen zu ihrer gesetzlichen Krankenversicherung, die sie auf Grund der Regelungen in § 62 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) in der Fassung, die dieser durch Art. 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I Seite 2190) erhalten hat, zu erbringen hatten. Nachdem die Antragsteller zunächst Aufwendungen für die sogenannte Praxisgebühr und Zuzahlungen zu Medikamenten in Höhe von insgesamt fast 125,00 EUR geltend gemacht hatten, die ihnen ...