Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußverfahren. Einstweilige Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Effektiver Rechtsschutz in dringenden Fällen ist im Rahmen des – objektiven – personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens, das nicht der Verfolgung von Individualansprüchen, sondern u.a. der Klärung und Feststellung von Zuständigkeiten und von personalvertretungsrechtlich festgelegten Befugnissen (BVerwG, B.v. 15.12.1978 – 6 P 13/78 – a.a.O.) dient, durch die dazu gesetzlich vorgesehenen einstweiligen Verfügungen (§ 85 Abs 2 ArbGG) in der Weise zu gewähren, daß keine Handlungspflichten verfügt, sondern vorläufige Feststellungen getroffen werden (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats).
An den Erlaß einstweiliger Verfügungen sind in personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren hohe Anforderungen zu stellen, wenn zu erwarten ist, daß gewichtige Folgen vorläufiger Regelungen bei einer entgegengesetzten Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden können, weil beispielsweise Schadensersatzansprüche nach § 945 ZPO ausgeschlossen sind (vgl. § 85 Abs 2 ArbGG).
Eine einstweilige Verfügung kann in derartigen Fällen nur ergehen, – wenn ohne ihren Erlaß schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden könnten, – wenn sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren erweisen wird, daß der Anspruch, dessen Sicherung sie dienen soll, besteht: – wenn andererseits die Regelung keine gewichtigen Folgen hat, die für davon Betroffene unzumutbar wären und – wenn nicht ausnahmsweise sonstige überwiegende besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; HPVG § 111; ZPO § 945
Tatbestand
I.
Der Antragsteller versucht zu erreichen, daß der Beteiligte im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet wird, mit ihm die Einführung und Anwendung eines Formulars zur „ICD-Schlüsselerfassung” in dem Krankenhaus, dessen Personalrat er ist, zu erörtern und das Mitbestimmungsverfahren nach § 72 HPVG einzuhalten.
Mit der ICD-Schlüsselerfassung werden nach einer internationalen Klassifikation die Diagnosen von Krankheiten, Verletzungen, Vergiftungen u.a. erfaßt.
Mit Schreiben vom 03. September 1991 wurde allen Stationen des Krankenhauses in einem Schreiben mit dem Briefkopf des Ärztlichen Direktors mitgeteilt, daß das Direktorium im Rahmen der neuen Anforderungen der Krankenhausstatistikverordnung beschlossen habe, die Erfassung der ICD-Verschlüsselung neu zu regeln. Neben den weiterhin notwendigen Meldungen an die Kostenträger seien mit dem neuentwickelten ICD-Erfassungsbeleg die behandelten Krankheiten zusätzlich zu dokumentieren. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen seien auch bei Verlegungen innerhalb der Klinik ICD-Belege auszufüllen. Die speziellen ICD-Schlüsselverzeichnisse seien klinikweise erstellt worden. Die ICD-Schlüssel-Dokumentation solle ab 01. September 1991 durchgeführt werden.
In einer Anlage wurde das neu erstellte ICD-Schlüsselformular erläutert. Danach sind die Eingangs- und Entlassungsdiagnose keine „Pflichteingaben”. Zur Hauptdiagnose, die als „Pflichteingabe” bezeichnet wird, heißt es, daß für jede Fachrichtung je Patient mindestens eine vierstellige ICD-Verschlüsselung durchzuführen sei. Zum verbesserten Nachweis des Leistungsspektrums jeder Klinik – auch in Bezug nachprüfbarer Arztstellenforderungen an die Kostenträger – empfehle das Direktorium die Eingabe weiterer Diagnosen, sei es als Hauptdiagnose oder weiterer Nebendiagnosen. Die statistische Auswertung dieser Angaben sei nicht nur für die Darstellung der erbrachten Leistungen einer Klinik, sondern auch für den Nachweis des Leistungsspektrums des Krankenhauses sehr sinnvoll. Die dann eingegebenen Diagnosen könnten, wie bereits häufig von einzelnen Fachbereichen gewünscht, datenverarbeitungsmäßig abgefragt und ausgewertet werden.
Da der Beteiligte davon ausging, daß die Neuregelung nicht mitbestimmungspflichtig sei, hat der Antragsteller am 17. September 1991 bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Erlaß einer einstweiligen Verfügung im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren beantragt. Er hat vorgetragen, die etwa 80 Assistenzärzte des Krankenhauses seien schon in der Vergangenheit verpflichtet gewesen, im Rahmen des sogenannten „vorläufigen Entlassungsberichts” eine Entlassungsdiagnose mit dem sogenannten dreistelligen ICD-Schlüssel einzutragen. Jetzt solle mit einem zusätzlichen Formular eine EDV-Erfassung erfolgen. Zwar werde nur die Hauptdiagnose als Pflichteingabe bezeichnet. In der Praxis werde jedoch von den Ärzten erwartet, daß auch Angaben zur Eingangs- und Entlassungsdiagnose gemacht würden. Für ein verantwortungsbewußtes Ausfüllen des Bogens sei ein Zeitaufwand von 5 bis 8 Minuten pro Patient nötig, wobei der Arzt mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Diagnosen und die Ausfüllung des Erfassungsbogens übernehme. Die Einführung des Vordrucks sei nach § 74 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 17 HPVG mitbestimmungs...