Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweckentfremdung. Wohnung. Umwidmung. gewerblich. gewerbliche Nutzung. Existenzgefährdung. ZWECKENTFREMDUNGSVERBOT
Leitsatz (amtlich)
1. Die Hessische Verordnung über das Verbot der Zweckenfremdung von Wohnraum gilt in Bezug auf die Stadt Frankfurt am Main weiter fort und ist nicht gegenstandslos geworden.
2. Ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse an einer Umwidmung von Wohnraum zur gewerblichen Nutzung ist anzuerkennen, wenn ohne die begehrte zweckentfremdungsrechtliche Ausnahme die bisher innegehabte Existenzgrundlage des Antragstellers infolge des Verbotes gefährdet wäre oder verloren ginge.
Normenkette
MietRVerbG Art. 6 § 1
Tatbestand
Die 1915 geborene Klägerin, die eine Mietwohnung in der W. in Frankfurt am Main bewohnt, ist Eigentümerin des ebenfalls in Frankfurt am Main gelegenen Anwesens B. Straße 296. Das um 1900 errichtete Gebäude umfasst 4 Vollgeschosse und 1 Dachgeschoss. Es liegt in einem Bereich, der in dem einschlägigen Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesen ist.
Mit Bescheid vom 18.05.1973 wurde der Klägerin eine Ausnahmegenehmigung vom Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zur Umnutzung der Wohnung im 1. Obergeschoss bestehend aus 3 Zimmern, Küche und Bad mit einer Wohnfläche von 77 qm als Arztpraxis erteilt. Die Genehmigung war bis zum 31.05.1978 befristet, wurde jedoch von der Klägerin nicht in Anspruch genommen. Die baurechtlich als Wohnraum ausgewiesenen Räume im 1. Obergeschoss wurden vielmehr auch nach Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotes in Frankfurt am Main an 01.02.1972 zunächst weiter zu Wohnzwecken genutzt.
Unter dem 24.02.1987 beantragte die Klägerin erneut, ihr für die Wohnung im 1. Obergeschoss eine Ausnahmegenehmigung vom Zweckentfremdungsverbot zu erteilen. Sie gab an, die gesamte Wohnung als Arztpraxis vermieten zu wollen. Zur Begründung führte sie aus, der bisherige Mieter werde die Wohnung kurzfristig räumen. Die Wohnung sei sehr laut. Im benachbarten Hause B. Straße 294 befände sich eine Gaststätte, im Hause B. Straße 292 ein Gewerbebetrieb. Auf der Rückseite ihres Anwesens liege eine Turnhalle mit zwei Kegelbahnen und mehreren Veranstaltungen in der Woche. Die Berger Straße selbst sei stark mit Verkehr belastet. Es bestehe Bedarf für eine Nutzung der Räume als Arztpraxis. Auf angemessene Einnahmen aus dem Haus sei sie zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes angewiesen.
Noch vor Bescheidung ihres Antrages auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vermietete die Klägerin die Wohnung im ersten Obergeschoss ihres Hauses B. Straße 296 an einen Arzt, der dort seither, und zwar in sämtlichen Räumen der Wohnung, eine medizinische und psychotherapeutische Praxis betreibt, jedoch anderenorts wohnt.
Mit Bescheid vom 10.08.1987 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 24.02.1982 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es lägen keine Gründe vor, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Zweckentfremdungsverbot rechtfertigen könnten. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.1988 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine besondere Bedarfslage für Ärzte bestehe in dem fraglichen Gebiet nicht. Auch die angeführte Lärmbelästigung vermöge ein anzuerkennendes Interesse an der Umnutzung von Wohnraum nicht zu begründen. Dies schon deshalb nicht, weil die B. Straße unterdessen als verkehrsberuhigte Zone ausgestaltet sei. Die Versagung der Genehmigung vernichte oder gefährde auch nicht die wirtschaftliche Existenz der Klägerin. Die Klägerin erziele Miet- und Handelsvertretereinnahmen in Höhe von ca. 45.000,– DM jährlich. Aus Erwerbsunfähigkeits- und Witwenrente beziehe sie Einkünfte in Höhe von ca. 8.000,– DM pro Jahr. Hinzu komme eine garantierte Mindestbetriebsrente von 18.000,– DM im Jahr bis zum Jahre 1993. Bei Einnahmen von rund 71.000,– DM pro Jahr könne von einer Gefährdung der Existenz der Klägerin nicht die Rede sein.
Die Klägerin hat am 25.11.1988 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass zu den Einnahmen aus Handelsvertretung jährlich noch 18.000,– DM als Betriebsrente der Firma Asbach hinzukämen. Die Betriebsrente werde bereits im Jahre 1989 wegfallen. Die Provisionseinnahmen aus Handelsvertretungen würden nur noch bis zum 01.07.1993 bestehen. Sie, die Klägerin, sei also spätestens ab dem Jahre 1993 darauf angewiesen, von ihrer kleinen Rente und den Einkünften aus der Vermietung des Hauses B. Straße 296 zu leben. Die Einnahmen aus Vermietung würden durch erforderliche Instandhaltungsinvestitionen deutlich verringert. Eine Nutzung der Wohnung als Arztpraxis werde ihr monatliche Mehreinnahmen in Höhe von ca. 500,– DM bringen. Als Wohnung könnten die Räume aufgrund der vorhandenen Lärmbelästigungen nur unter der ortsüblichen Wohnraummiete vermietet werden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 10.08.1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.1988 aufzuheben und die Beklagte zu verpflich...