Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentlich. Hauptfürsorgestelle. Kündigung. Schwerbehinderter. Stimmenhaltung. Widerspruchsausschuß. Zustimmung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Stimmenthaltung bei der Entscheidung über einen eingelegten Widerspruch im Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle ist unzulässig.

Im übrigen Einzelfall einer erfolgreichen Klage auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten.

 

Normenkette

SchwbG §§ 18, 21, 37-38, 40-41

 

Tatbestand

Der im Jahre 1930 geborene Beigeladene ist gehbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Seit dem 15. Oktober 1972 war er bei der Klägerin in der Telefonzentrale beschäftigt.

Unter dem 15. November 1985 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen. Als Gründe für die fristlose Kündigung nannte die Klägerin Vorfälle vom 11. November 1985, wonach der Beigeladene in angetrunkenem Zustand zwei weibliche Auszubildende in der Telefonzentrale belästigt haben soll. Als der Beigeladene gegen 15.00 Uhr vom Leiter der Personalabteilung aufgefordert worden sei, sich wegen seines Zustandes mit einem Dienstwagen nach Hause bringen zu lassen, habe er in dem sich anschließenden Wortwechsel die Bemerkung gemacht, er werde am darauffolgenden Tag wegen Krankheit nicht zum Dienst erscheinen. Dies stelle sich als angekündigte Arbeitsunfähigkeit dar. Im übrigen werde die fristlose Kündigung auf übermäßigen Alkoholgenuß durch den Beigeladenen während der Arbeitszeit zum wiederholten Male gestützt.

Der Beigeladene widersprach der Anschuldigung, er habe während der Arbeitszeit zum wiederholten Male Alkohol im Übermaß genossen. Insbesondere am 11. November 1985 habe er am ganzen Tag nur 3 Flaschen Bier zu 0,33 l getrunken. Auch die übrigen Behauptungen der Klägerin seien unzutreffend, denn er habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

Mit ihren Stellungnahmen vom 18. November 1985 stimmten der Vertrauensmann für Schwerbehinderte und der Betriebsrat der Klägerin der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu. Demgegenüber äußerte das Arbeitsamt Darmstadt in seiner Stellungnahme vom 19. November 1985 Bedenken gegen die Zustimmung im Hinblick auf die geringen Möglichkeiten, den Beigeladenen in ein neues Arbeitsverhältnis zu vermitteln.

Mit Bescheid vom 25. November 1985 stimmte die Hauptfürsorgestelle des Beklagten der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen im wesentlichen mit der Begründung zu, stehe eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung nicht mit der Behinderung im Zusammenhang, habe die Hauptfürsorgestelle bei ihrer Entscheidung nur einen sehr eingeschränkten Ermessensspielraum. Aufgrund der vorgelegten Aussagen bestünden keine Zweifel über die Richtigkeit der von der Klägerin vorgetragenen Kündigungsgründe. Es sei nicht offensichtlich, daß dadurch die Kriterien eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB nicht erfüllt seien. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu erteilen.

Daraufhin sprach die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 1985 gegenüber dem Beigeladenen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Hiergegen hat der Beigeladene beim Arbeitsgericht Darmstadt unter dem 10. Dezember 1985 Klage erhoben. Das arbeitsgerichtliche Verfahren ist bis auf weiteres ausgesetzt.

Unter dem 16. Dezember 1985 erhob der Beigeladene gegen den zustimmenden Bescheid der Hauptfürsorgestelle Widerspruch, indem er die von der Klägerin behaupteten Kündigungsgründe bestritt und eine unzureichende Anhörung rügte.

Am 3. März 1986 tagte der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten. An der Sitzung nahmen sechs stimmberechtigte Ausschußmitglieder teil. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde die Sache mit den Verfahrensbeteiligten erörtert. Anschließend befand der Ausschuß in geheimer Beratung über den Widerspruch. In der Sitzungsniederschrift heißt es unter anderem dazu:

„Es wird der Antrag gestellt, dem Widerspruch stattzugeben. Abstimmung: für den Antrag 3 Stimmen, dagegen 2 Stimmen, 1 Stimmenthaltung.”

Mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten vom 7. April 1986 wurde dem Widerspruch des Beigeladenen stattgegeben und der Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 25. November 1985 aufgehoben sowie die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen versagt. Zur Begründung heißt es im wesentlichen, die von der Klägerin geltend gemachten Kündigungsgründe müßten nach der gegebenen Sachlage als wahr unterstellt werden. Gleichwohl könne eine Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt werden. Zwar lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 4 SchwbG vor. Diese Soll-Regelung lasse aber einen eingesch...

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