Entscheidungsstichwort (Thema)

Beamtenversorgung. Dienstzeit. Elternrecht. Erziehungsurlaub. Kindererziehung. Rentenversicherung. Ruhegehaltfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

§ 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG; denn diese typisierende Regelung führt zu einer – auch im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung – angemessenen Berücksichtigung der Zeit der Kindererziehung.

 

Normenkette

BeamtVG § 6 Abs. 1 S. 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6

 

Tatbestand

Der Kläger ist Polizeihauptmeister im Polizeidienst des Landes Hessen. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1987 beantragte er für seine am 10. Oktober 1987 geborene Tochter für die Zeit vom 7. April 1988 bis zum 9. Juli 1988 Erziehungsurlaub. Während dieser Zeit war seine Ehefrau, die vom 6. Dezember 1987 bis zum 6. April 1988 Erziehungsurlaub in Anspruch genommen hatte, bei ihrer bisherigen Arbeitgeberin, der Arbeiterwohlfahrt Kassel, als Angestellte berufstätig.

Mit Bescheid vom 5. November 1987 wurde dem Kläger seitens des Versorgungsamtes Kassel – Erziehungsgeldkasse – Erziehungsgeld für den Zeitraum vom 10. April 1988 bis zum 9. Juli 1988 gewehrt. Daraufhin bewilligte der Polizeipräsident in Kassel mit Bescheid vom 9. Februar 1988 dem Kläger für die Zeit vom 10. April 1988 bis zum 9. Juli 1988 Erziehungsurlaub ohne Dienstbezüge.

Am 27. Januar 1989 beantragte der Kläger, ihm die Zeit des Erziehungsurlaubs vom 10. April 1988 bis zum 9. Juli 1988 als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen. Diesen Antrag lehnte der Regierungspräsident mit Bescheid vom 3. Februar 1989, dem Kläger ausgehändigt am 10. Februar 1989, mit der Begründung ab, das Kind des Klägers habe am 9. April 1988 den sechsten Monat vollendet. Da gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) Erziehungsurlaub nur bis zu dem Tag ruhegehaltfähig sei, an dem das Kind sechs Monate alt werde, könne dem Antrag nicht entsprochen werden.

Den fristgerecht eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im wesentlichen damit, § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG sei wegen der Ungleichbehandlung von beamteten und angestellten Ehegatten hinsichtlich der Dauer und der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub wegen Verstoßes gegen Artikel 3 und Artikel 6 Grundgesetz verfassungswidrig. Nach dem Angestelltenversicherungsgesetz werde bei zwei Arbeitnehmern als Ehegatten, die das Erziehungsjahr in Anspruch nähmen, zwar auch nur einer begünstigt, dies aber für das volle Erziehungsjahr. Im übrigen werde die freie Wahl der Ehepartner hinsichtlich der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs beschnitten.

Das Regierungspräsidium Kassel wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1989, zugestellt am 24. Oktober 1989, zurück. Das Beamtenversorgungsgesetz und das Angestelltenversicherungsgesetz seien voneinander unabhängige und eigenständige Gesetze, die Regelungen für den jeweiligen Personenkreis zum Inhalt hätten und die den unterschiedlichen Gegebenheiten Rechnung trügen. Innerhalb jedes Personenkreises sei eine Gleichbehandlung gegeben. Ferner vermöge die Anrechnung des Erziehungsurlaubs mit sechs Monaten auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit in der Beamtenversorgung unter Umständen eine erheblich höhere Steigerung zu bewirken als der nach dem Rentenrecht zustehende Mehrbetrag. Unter der Berücksichtigung der möglichen Konstellationen ergebe sich hier ein Vorteil für den Personenkreis, der sich im Beamtenverhältnis befinde. Die Entscheidung zum Wohl des Kindes für oder gegen die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs vermöge hierdurch nicht beeinträchtigt zu werden.

Daraufhin hat der Kläger am 21. November 1989 beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, ein beamteter Ehepartner sei benachteiligt, da der Erziehungsurlaub als ruhegehaltfähige Dienstzeit nur während der ersten sechs Monate anerkannt werde. Die Anrechnung sei damit nicht nur insgesamt niedriger als im Rentenrecht, vielmehr sei der Beamte auch gehalten, seinen Erziehungsurlaub während der ersten sechs Monate zu nehmen, wolle er den Anspruch nicht gänzlich verlieren.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidenten in Kassel vom 3. Februar 1989 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 19. Oktober 1989 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Erziehungsurlaub des Klägers vom 10. April 1988 bis zum 9. Juli 1988 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht Kassel durch Gerichtsbescheid vom 29. März 1995 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß die Zeit seines Erziehungsurlaubs als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werde. § 6 Abs. 1 Satz 4 in der im Streitfall ma...

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